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Volkswandertag Volkswandertag: Schüler schnitzen Wolfener Geschichten

Von Ulf Rostalsky 13.10.2013, 19:07
Wetterfest gekleidet machten sich die Wandergruppen auf den Weg in Richtung Reuden.
Wetterfest gekleidet machten sich die Wandergruppen auf den Weg in Richtung Reuden. Thomas Ruttke Lizenz

Wolfen/MZ - Lobsteds Fritz hat seine Frau aufgehängt - diese Nachricht machte die Runde in Wolfen, als die Stadt noch kleines Straßendorf war und derbes Straßendeutsch gesprochen wurde. „Das ist keine Sage, sondern eine echte Geschichte“, erzählt Klaus Richter, der sich auskennt in der Historie. Nicht nur, dass er in seiner Heimatstube am Markt allerhand Utensilien aus alter Zeit zusammengetragen hat. Richter ist Wolfener mit Leib und Seele. Er kann jetzt wie jeder andere auch auf zwei Pappelstämmen Rast machen, die Wolfener Geschichte wieder lebendig werden lassen.

Schüler haben die Stämme zu ungewöhnlichen Sitzgelegenheiten umfunktioniert. „Zu künstlerischen Bänken, die Geschichte erzählen“, präzisiert Claudia Simon vom Kultur- und Heimatverein, der sich am Sonnabend nach einem Jahr Pause wieder vor den Karren gespannt und die 17. Auflage des Volkswandertages auf die Beine gestellt hat.

Wandern an der Fuhne ist eine gute Gelegenheit, um in die örtliche Geschichte einzutauchen. Lobsteds Fritz und seine vermeintliche Freveltat ist nicht die einzige Story, die dabei die Runde macht. Auch über den Stein, der auf dem Markt an die erste urkundliche Erwähnung Wolfens erinnert, kann viel berichtet werden. Der Findling war erst Teil des Kriegerdenkmals, dann in der Berufsschule der Filmfabrik eine Erinnerung an Rudi Arndt, war nach dem Ende der DDR ungenutzt und wurde schließlich zu einem Hinweis auf 600 Jahre Wolfen. Mit der Nachricht, dass Lobsteds Fritz seine Frau aufgehängt hat, kann der Stein allerdings nicht mithalten.

Schüler schaffen Stadtkunst

Am Rande des Gondelteichs in der Fuhneaue liegen die Pappelstämme, denen Monique Böttcher, Tim Paasch, Patrick Kaiser und die anderen Mitstreiter des Kunstkurses der Sekundarschule I in Wolfen-Nord neues Leben eingehaucht haben. Kultur- und Heimatverein, Schule, Jugendclub und Holzkünstler Mathias Faul haben sich zusammengetan, um Stadtkunst anderer Art zu schaffen. Stechbeutel, Messer und Sägen haben Spuren hinterlassen. Der Name Lobsted ist zu erkennen, auch zwei angedeutete Gesichter. Um den Stamm schlängeln sich Aale. „Wir wollen neugierig machen“, sagen die Zehntklässler, die drei Tage lang an ihrem bisher schwersten Kunstobjekt gearbeitet haben.

Ein Mord und eine Handvoll Aale? Wie hängt das zusammen? Die Neugier wächst am Samstag auch unter den Wanderern, die auf Schusters Rappen sechs Kilometer und auf dem Rad sogar 17 Kilometer unterwegs waren. Es zeigt sich schließlich: Anna Funke ist schuld. Das Mädchen hatte losgetreten, was Wolfen in Aufruhr versetzte Anfang des letzten Jahrhunderts. Ortschronist Hans-Georg Mautner verewigte diese Geschichte auf Papier: Anna Funke hatte vernommen, dass Fritz seine Frau aufgehängt hat.

Sie erzählt es der Mutter, diese gibt es an die Nachbarin weiter. Die Geschichte springt über Zäune, Straßen und landet in der Poststelle beim Herrn Romanus. Doch es zeigt sich: alles Unfug. Lobsteds Fritz hat nicht seine Frau aufgehängt, sondern die in der Fuhneaue gezogenen Aale. Ist Anna wirklich schuld? Am Ende war es wohl das Straßendeutsch. Denn die Ehefrau, die Alte, war an der Fuhne über lange Zeit umgangssprachlich die „Aale“. Da kann man schon durcheinander kommen. Lachen, Beifall für die jungen Künstler und weiter geht die Reise. Denn der Volkswandertag ist in Wolfen keine Sache für Sitzenbleiber. „Wir gehen weiter.“ Claudia Simon drängt zum Aufbruch.

Beim Volkswandertag wurden die Bänke eingeweiht.
Beim Volkswandertag wurden die Bänke eingeweiht.
Thomas Ruttke Lizenz