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Hobby mit Folgen Hobby mit Folgen: Besser gut kopiert als kein Original

Von Corinna Nitz 11.01.2002, 11:05

Wittenberg/MZ. - Die ersten Bilder finden sich im Treppenaufgang. Selbst wer noch nie bei Werner Quaas war, weiß, gleich am Ziel zu sein. Im Dämmerlicht der Hausbeleuchtung erblüht ein Blumenstillleben. Dann die Tür. Sie ist offen und Werner Quaas wartet schon. Ein kleiner Mann mit freundlichen, warmen Augen und festem Händedruck. Stellt erst seinen wuscheligen Hund vor: Danni, 16 Jahre, grauer Star. Dann bittet er, näher zu treten. Danni läuft voraus.

Werner Quaas malt. Das ist sein Hobby und nicht zu übersehen. Überall in der kleinen Wittenberger Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung hängen seine Bilder, wobei die allermeisten Arbeiten gar nicht mehr da sind. Auftragswerke etwa von Freunden und Bekannten, aber auch von Fremden.

Die schicken dem Pensionär Fotografien und der setzt sich hin und malt: Ehefrauen, Enkelkinder, Haustiere, manchmal Landschaften. Aber auch Klassiker wie "Iphigenie auf Tauris". Werner Quaas ist ein Kopist und sagt über sich und seine verstorbene Frau: "Wir wollten schöne Bilder in unserer Wohnung haben. Originale konnten wir uns aber nicht kaufen. Also musste ich sie kopieren." So einfach ist das. Und so schwer.

Denn Quaas arbeitet ohne technische Hilfsmittel. Der einstige Lehrer für Biologie und Deutsch verlässt sich bei der Umsetzung ganz auf Gespür und Augenmaß. Nichts hält er von der Quadratur, obschon die das Verfahren in bestimmten Fällen doch erheblich vereinfachen könnte. Statt dessen vertieft er sich in die Vorlage, anscheinend in einer Weise, dass selbst allegorische Werke wie "Der Raub der Sabinerinnen" sich vom Original erst aus kurzer Distanz unterscheiden lassen. Übrigens: Eines ist ihm so gut gelungen, dass es nun in einem Dresdner Museum hängt.

Diese Geschichte ist typisch für die Entstehung mancher Arbeit. In leisem Plauderton erzählt Quaas von dem Tag, an dem er in einer Zeitung über den Verlust einer Miniatur aus dem Dresdner Stadtmuseum im Jahr 1945 gelesen hat. Was mit Dresden zu tun hat, interessiert ihn a priori, schließlich ist er in Elbflorenz geboren und aufgewachsen. Zudem hat diese Stadt mit ihren Bauten und Museen sein künstlerisches und ästhetisches Empfinden geprägt.

Nun also las er über diese Miniatur. Auf ihr war Matthias Pöppelmann verewigt worden - einer, dem sie in Dresden ob seiner Verdienste für die Stadt im 19. Jahrhundert, auf diese Weise ein Denkmal gesetzt haben. Eine kleine Abbildung vom verschwundenen Bild illustrierte den Artikel. Quaas schnippelte das Bildchen aus, richtete Staffelei, Malgrund und Farben an und legte einen Pöppelmann hin, wie ihn besser wohl das Original auch nicht getroffen haben mag.

Jedenfalls hängt ein echter Quaas in Dresden. "Ich hab ihn der Stadt geschenkt", sagt der 81-Jährige. Denn so ist er, bescheiden eben. "Dass ich malen, darf ist für mich auch ein Lohn." Nur manchmal nimmt er "ein paar Mark". Für ein Fläschchen Firnis, ein paar Tuben Farbe. Oder Rahmen. Die meisten fertigt er selbst. Unterstützt wird er von einem Holzhandel. Dort schneiden sie ihm die Leisten zu. Den Rest macht er zu Hause.

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