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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Diestel ist heute noch stolz auf seine Bauern

Von MICHAEL MAUL 19.11.2010, 18:02

SCHWEMSAL/MZ. - In seinen 174 Tagen Amtszeit als letzter Innenminister der DDR hatte Peter-Michael Diestel nicht nur Freunde. Manche hätten ihm gewünscht, dass er an dieser Aufgabe zerbrochen wäre. Er schaffte es aber, als Chef der Polizei, der Armee, der Geheimdienste und des MfS seinen Widersachern Paroli zu bieten. Jetzt, nach 20 Jahren Deutscher Einheit, kann er über manche Dinge nur lachen, über andere aber auch nachdenklich werden.

Der Moderator der Veranstaltungsreihe "Lebenswege", Erhard Rutz aus Bad Düben, verstand es trefflich, dem immer aufmerksamen und um keine Antwort verlegenen Diestel die Dinge zu entlocken, die einerseits in seinem Buch "Aus dem Leben eines Taugenichts?" niedergeschrieben oder zwischen den Zeilen zu lesen sind, andererseits aber auch nur im persönlichen Gespräch zu klären waren. Die Gäste in der sehr gut besuchten Gutsscheune in Schwemsal erfuhren am Donnerstagabend so manches, "was in der damals wilden Zeit" geschehen ist und was man so nicht erfahren hatte. Oft wurde dem erfolgreichen Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel in dieser Wendezeit vorgeworfen, er sei ein Kumpan der Staatssicherheit und würde die Leute, welche die DDR-Bürger ausspioniert haben, in Schutz nehmen. "Glauben Sie mir", so Diestel zu den Gästen, "die Akten und Unterlagen der Großen und wirklichen Geheimnisträger und Verantwortlichen sind schon viel früher an die anderen Geheimdienste geliefert worden." Die, die man jetzt auf dem Kieker habe, seien nur die kleinen IM und solche, die vielleicht niemals einem Menschen geschadet hätten, so Diestel weiter. "Die Verbrecher sind oft heute noch in führenden Posten und lobhudeln mit ihren angeblichen Verdiensten um die deutsche Einheit", sagt der Mann, der auch die Namen kennt, sie aber lieber mit in den schwarzen Container nimmt, wie er ironisch meint. Es sei immer eine Frage, wie man mit dem "Feind" umgehe, beschreibt der letzte Innenminister seine damaligen Tätigkeiten. "Wir können uns stolz schätzen, dass bei der friedlichen Revolution, die im übrigen nur von östlicher Seite forciert wurde, kein einziger Schuss gefallen ist", blickt er zurück.

Betroffen mache ihn allerdings, dass die heutigen Regierungen die Namen und Akten der genannten Leute kennen, dagegen aber nichts unternehmen würden. In seinem Buch beschreibt er auch die unglaublich gute Zusammenarbeit mit Lothar de Maiziere sowie die Wertschätzungen von Egon Bahr, Gregor Gysi und auch Manfred Stolpe, die im übrigen jeweils ein Vorwort für sein Buch verfasst haben. Neben vielen anderen kleinen Begebenheiten erzählte der Mann, der vom Reservegefreiten zum Armeegeneral avancierte, auch davon, dass man die deutsche Einheit damals auch mit zwielichtigen Typen organisiert habe. "Aber es hat geklappt", so Diestel.

Gern blickt der jetzt 58-Jährige auch zurück in die Zeit, in der er nach dem Berufsabschluss als Rinderzüchter mit Abitur in Delitzsch gearbeitet hatte. Auch sei er froh, dass er vor dem Studium an der Karl-Marx-Universität in Leipzig seine praktischen Erfahrungen machen konnte. "Ich bin heute noch stolz auf meine Bauern", sagt Diestel und wenn man damals seine Meinung ernst genommen hätte, hätte er gern die landwirtschaftlichen Strukturen mit in die vereinigte Bundesrepublik übernommen. Sehr gefreut hatte er sich auch, dass neben seinem ehemaligen Mitstreiter und Arbeitskollegen Joachim Wagner auch noch weitere Weggefährten aus der DDR-Zeit als Gäste anwesend waren. Auf die Frage von Erhard Rutz, wie man denn sein müsse, um ein Freund von Peter-Michael Diestel zu sein, erwiderte er lachend: "Trinkfest, ehrlich und so, wie ein Freund eben sein muss."

Und zum derzeit aktuellen Problem der Terrorgefahr meinte Diestel: "Hätte man damals auf mich gehört und die wertvollen und wichtigen Erkenntnisse der Auslandsgeheimdienstquellen des MfS genutzt, hätte man heute eine wesentlich bessere Kenntnis der arabischen Szene."