1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Anhalt-Bitterfeld: Anhalt-Bitterfeld: Alles Glück dieser Erde

Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Alles Glück dieser Erde

Von MATTHIAS PRASSE 11.05.2011, 16:15
Etwa 1696 ist das Herrenhaus errichtet wurden. Es beherbergt heute die Verwaltung des Landgestüts Prussendorf. (FOTO: Matthias Prasse)
Etwa 1696 ist das Herrenhaus errichtet wurden. Es beherbergt heute die Verwaltung des Landgestüts Prussendorf. (FOTO: Matthias Prasse) CARDO

PRUSSENDORF/MZ. - Prussendorf am Strengbach hat ohne Frage eine der gepflegtesten Gutsanlagen der Region. Hier dreht sich heute alles um das Thema Pferd Für große und kleine Pferdefreunde ist es eine angenehme Pflicht, sich ein- oder mehrmals im Jahr auf den Weg nach Prussendorf zu machen. Das kleine Dörfchen liegt südlich von Zörbig und ist so etwas wie das Mekka der Pferdefreunde in Sachsen-Anhalt, befindet sich doch hier seit mehr als einem Jahrzehnt das Landgestüt des Bundeslandes. Doch Pferdezucht hat auf dem Gut eine viel ältere Tradition.

Schwer gepanzert

Schon die alten Rittersleut´ werden sich in Prussendorf ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt haben, welcher ihrer Hengste nicht unter einem Ritter zusammenbricht. Dessen volle Rüstung konnte schon mal über 40 Kilo wiegen. Wo genau die seit langem in Prussendorf vermutete Wasserburg stand, darüber sind sich selbst die Mitglieder des örtlichen Heimatvereins nicht einig. Vermutungen gehen in Richtung Park, wo zwischen den Teichen immer wieder mittelalterliche Keramikscherben gefunden werden.

Erster namentlich bekannter Besitzer des Rittergutes war Jan Toelstorff, den der sächsische Kurfürst Ernst 1465 mit Prussendorf belehnte. Gut hundert Jahre darauf erwarben die v. Rauchhaupt auf Hohenthurm das Gut. Für kurze Zeit hat es ab 1601 der kursächsische Rat Abraham v. Einsiedel im Besitz, muss das Gut aber schon zehn Jahre darauf wieder abgeben. Vielleicht war der Kaufpreis nicht vollständig bezahlt?

In den Händen der neuen Eigentümer bleibt der Herrensitz nun länger. Käufer war Albrecht Andreas v. Boeltzig, mit den Rauchhaupts aufs Engste verwandt. Albrecht Andreas war bemüht, mit Prussendorf etwas Eigenes zu erwerben, denn das väterliche Erbe musste unter 17 Geschwistern geteilt werden.

Das Leben im ländlich-beschaulichen Dorf mag nicht allzu aufregend gewesen sein, brachte Albrecht Andreas aber Glück. Ihm blieb nämlich das Schicksal fast aller seiner Brüder erspart: Hans und Karl fielen in Schlachten in Dänemark, Albrecht gegen die Türken vor Budapest und Heinrich im Dienste des Prinzen von Oranien in Straßburg. Das zeigt, dass so ein Sattelhof, wie die alten Güter genannt wurden, nicht nur mit dem angenehmen Recht auf Steuerfreiheit verbunden war, sondern eben auch mit der Pflicht zum Waffengang.

Einen kriegerischen Hinweis birgt selbst das Wappen der Boeltzig: Über dem Turnierhelm wölbt sich eine so genannte Türkenmütze, wie sie von den Rittern während der Kreuzzüge über ihre Eisenhauben gezogen wurden - weil die Sonne im Heiligen Land ungewohnt heftig auf Eisen und Haut brannte.

Aber Gott sei gedankt, es blieben immer noch genügend Boeltzigs übrig, um den Stammbaum fortzuführen. Andreas Dietrich (1629-1706), der Enkel des ersten Boeltzig auf Prussendorf, gelingt es den Besitz zu vermehren, ihm gehörten auch noch Güter in Spören, Oberröblingen und Mößlitz.

Wieder weißes Gold

In Prussendorf entfaltete er eine rege Bautätigkeit, das Geld kam übrigens zum großen Teil aus der Salzgewinnung in Groß Salze, heute ein Ortsteil von Schönebeck. Als Mitglied der dortigen Pfännerschaft und schließlich sogar Bürgermeister brachte ihm das weiße Gold, das jeder brauchte, genügend Kapital ein. So konnte er um 1696 das heutige Herrenhaus in Prussendorf und 1701 das so genannte Schloss in Spören errichten. Seine Gemahlin Margarethe von Esebeck stammte aus ähnlichen Kreisen. Eigentlich in Aken ansässig, war die Familie ihres Vaters ebenfalls im Groß Salzer Salzgeschäft. Das Wappen des adeligen Ehepaares findet sich noch heute in Prussendorf.

An dieser Stelle soll auf einen berühmten Nachfahren unserer heimischen Adelsfamilien aufmerksam gemacht werden. Der romantische Dichter Novalis oder eigentlich Friedrich Freiherr v. Hardenberg stammt - unter anderem - sowohl von den Witscher (Schortewitz), aus dem Winckel (Schierau), Zanthier (Salzfurt), und Schaderitz (Gröbzig) ab. Seine Mutter war Bernhardine Auguste v. Boeltzig,

Die siebente Generation der Boeltzig verkaufte das Gut schließlich 1820 an eine Familie Bartels, die es 1902 an den aus Zschernitz stammenden Carl Bieler weiter veräußerten. Der hatte das Rittergut nicht für sich, sondern als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter Luise und deren Ehemann Walter Haberland erworben. Die glücklichen Jahre in Prussendorf endeten für die Haberlands mit den Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende, genauer am 6. September 1945, wurde der 67-jährige Walter Haberland als Großgrundbesitzer verhaftet. Sein Schicksal war lange ungewiss, heute ist bekannt, dass er in das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald verschleppt wurde. Als sowjetisches Speziallager war dieser Ort des Grauens wieder in Benutzung, bis zu seiner Auflösung 1950 hatte man erneut mehr als 28 000 Menschen hier inhaftiert, von denen rund 8 000 im Lager umkamen. Zu ihnen gehörte auch Walter Haberland, der im Februar 1947 in Buchenwald starb.

Ein neuer Anfang

Das Gut selbst hatte Glück im Unglück. Zum einen, weil es nicht in der Bodenreform zerschlagen, sondern als Versuchsgut der Universität Halle fortgeführt wurde. Nur das hat ermöglicht, dass man in Prussendorf wie an kaum einem anderen Ort des Kreises das Gut noch als historisch gewachsene Einheit wahrnimmt. Zum anderen hatte Prussendorf auch deshalb Glück, weil das Schicksal nach Kriegsende immer wieder fähige Köpfe hierher führte, die Willens und in der Lage waren, die Prussendorfer Landwirtschaft auf hohem Niveau weiterzuführen. Unter den Männern der ersten Nachkriegsstunde sind vorrangig der spätere Professor für Obst- und Gemüsebau Dr. Friedrich Hilkenbäumer sowie der ebenfalls promovierte Landwirt Bernhard

Trotz der schweren Bedingungen der Nachkriegszeit gelang es beiden, moderne Landwirtschaft, Versorgung der Bevölkerung und wissenschaftliche Forschung erfolgreich neu aufzustellen. Um 1970 vollzog sich ein einschneidender Wechsel in der Betriebsstruktur, Pferde spielten nun die erste Rolle. Zusammen mit Radegast entwickelte sich der Ort zu einem Zentrum der Pferdezucht in der DDR. Als nach der politischen Wende das Land Sachsen-Anhalt wiedergegründet wurde, entstand die Idee eines Landgestüts. Dieses fand schließlich ab 1997 seine Heimstätte im Dorf am Strengbach und bildet heute den Mittelpunkt für Pferdezucht und -sport im Bundesland Sachsen-Anhalt. Die national renommierte Einrichtung steht seit 2005 unter der Führung des erfahrenen Landstallmeisters Siegmund Hintsche, der, so wollte es die Vorsehung - ein gebürtiger Prussendorfer ist.