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Ämter lassen ihm wenig Zeit für sich

Von CHRISTINE KRÜGER 19.01.2009, 18:08

BITTERFELD/MZ. - Was Laien kaum registrieren, ist für ihn eine ganze Welt. Denn den 74-Jährigen faszinieren diese quicklebendigen Tiere. Gern hat er sie auch größer - als Angler ist das wohl verständlich. "Raubfische schmecken besser", sagt er und das erklärt, warum er auf Streifzug nicht mit Würmern geht, sondern mit speziellen Blinkern. In der Goitzsche hat er vergangenes Jahr zwei Hechte gefangen. "Dreieinhalb Kilo an einer 0,18-Millimeter-Schnur. Das ist dann schon ein schwieriger Kampf", stellt er fest.

Aber Baronius ist es ja gewöhnt durchzuhalten, zu kämpfen. Wer auf der lokalen politischen Bühne je mit dem promovierten Chemiker und Pädagogen zu tun hatte, weiß das. Manche nervt das. Anderen imponiert das. Baronius ist so. "Ich bin der Ansicht, man sollte für das stehen, was man als richtig erkannt hat. Und dafür muss man auch was tun", sagt der Mann, der in seinen politischen Ämtern stets in den Reihen der CDU sitzt. Doch gehörte er selbst nie einer Partei an. "Und das wird auch so bleiben. Mein Vater hat mir den guten Ratschlag gegeben - aus Erfahrung."

Seit 1999 sind Baronius' Meinung als Parlamentarier gefragt, sein Engagement geschätzt. Sein Wort hat Gewicht. Unlängst wurde er mit der Ehrennadel des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet.

"Als ich Rentner wurde, hat mich Uwe Schulze gefragt, ob ich nicht in der lokalen Politik mitmachen will", blickt er zurück. Seine ganze Erfahrung, die er während seiner Zeit als Chemiker und Unternehmensberater gesammelt hat, erkannte der damalige Landtagsabgeordnete schon da als recht nützlich. Baronius kandidierte für den Kreistag und für den Stadtrat Bitterfeld und wurde mit dem Mandat der CDU in verschiedene Ausschüsse gewählt. "Und seitdem geht das so", kommentiert er sein jetziges Leben. Hinzu kommen Abend füllende Aufgaben in anderen gesellschaftlichen Gremien und Organisationen wie der IPG Stadtentwicklungsgesellschaft, dem kommunalen Zweckverband Bergbaufolgelandschaft Goitzsche und anderen. Alle seine ehrenamtlichen Aufgaben aufzuführen, würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Und eigentlich will er das auch nicht. Wichtig ist ihm, dass er Sachverstand vermitteln kann.

Das liegt dem Mann, der aus dem sächsischen Städtchen Rochlitz stammt, wahrlich am Herzen. Und da ist er auch schon bei seinem Lieblingsthema Goitzsche. Die Landschaft kennt er wie seine Westentasche, oft ist er dort mit dem Fahrrad unterwegs. Diese wiedergewonnene und neu gestaltete Landschaft ist für ihn "eine alte Kulturlandschaft".

Und so steht er in einigen Fragen mit den Naturschützern des BUND, die bestimmte Flächen ihres Eigentums als Flächen ausgewiesen haben, in der die Natur sich selbst überlassen bleiben soll und damit "in einigen Teilen den Bürgern den Zugang erschweren", über Kreuz. "Die Leute hier haben so viel Dreck ertragen mit dem Tagebau, dass sie jetzt ein Recht darauf haben, auch zum letzten Winkel dieser Goitzsche hin zu dürfen", sagt er. Da wird der Ton des sonst besonnenen und eher ruhigen Mannes doch schon etwas schärfer. Da ist er hartnäckig. Und alle, die Baronius kennen, wissen, dass er hier immer wieder intervenieren wird.

Nach Bitterfeld hat den Absolventen der Leipziger Universität 1956 der Beruf geführt. "Ich wollte Chemiker werden, ich wollte forschen", erklärt er. "Und hier war der von mir so bewunderte Professor Wehner und hier konnte ich auch promovieren. Ja", sagt er und ein Lächeln huscht über sein Gesicht, "und da ich damals noch nicht wusste, wie dreckig Bitterfeld wirklich ist, blieb ich." Die erste Überraschung folgte im wahrsten Sinne auf dem Fuße: "Ich hatte plötzlich schwarze Füße." Über sein Erstaunen damals amüsiert er sich noch heute. Im CKB lernte er auch seine Frau kennen. Auch das war ein Grund, hier zu bleiben.

Bis 1992 hat er im CKB vor allem auf dem Gebiet der Metalltrennung und der Stickstoffdüngemittel geforscht, hat in Schwedt an der Oder, in Rostock und in Kuba Düngemittelfabriken mit aufgebaut und zum Laufen gebracht. Baronius gehörte zur "schnellen Eingreiftruppe", wie er das Team nennt, das dann gerufen wurde, wenn in der Planwirtschaft gravierende Probleme in den zum Kombinatsverband gehörenden Chemiebetrieben auftraten. "Wir haben viel zum Laufen gebracht", sagt er.

Bis kurz vor der politischen Wende gehörte er dem Stab des Forschungsdirektors im CKB an, dann war er selbst als Direktor für Unternehmensentwicklung in der Chemie AG für die Privatisierung und Ansiedlung neuer Firmen zuständig. Bayer, Heraeus, Sidra, Aussimont - Unternehmen, an dessen Ansiedlung er "eine Aktie" hat. Ein interessantes Arbeitsfeld tat sich für ihn auf mit der Treuhand Osteuropa auf, die dafür zuständig war, osteuropäische Firmen bei der Privatisierung zu unterstützen. "Es war eine interessante Zeit", blickt er zurück. Zweieinhalb Jahre hat er in Sankt Petersburg gelebt. Doch die russische Sprache, gibt er zu, die hat er nie richtig gelernt. "Ich bin ein Sprachmuffel."

Indes, weiß er, hatte das auch eine Kehrseite: Er war wenig daheim. Auf seine beiden Söhne - der eine ist heute Arzt der andere Förster - ist er sehr stolz. Auch auf seine Frau, die vor einigen Jahren verstorben ist. "Sie hatte viel allein zu tragen", sagt er, "auch, als unsere Kinder heranwuchsen. Ich hab oft nur an den Wochenenden eingegriffen." Auch heute gönnt er sich wenig Zeit für sich selbst. "Ich hab die alte, überholte Ansicht: Wenn Dienst ist, muss ich hin." Doch wenn die Bienen wieder fliegen, ist durchaus auch im Garten Dienst zu tun. Wolfgang Baronius ist auch ein begeisterter Imker.