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Bernburg Bernburg: Geschichtlich interessierter Mann des Ausgleichs

Von PAUL SPENGLER 18.11.2011, 17:31

BERNBURG/MZ. - "Das Vermitteln ist ein Grund gewesen, warum ich das so lange gemacht habe." Der Bernburger Alwin Fürle gibt diese Selbsteinschätzung nach jahrzehntelanger Arbeit im Führungsgremium der Evangelischen Landeskirche Anhalts und in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Dem Präsidium der Landessynode - dem Parlament der Landeskirche - hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie bereits seit Mitte der 1980er Jahre angehört. Präses der Landessynode ist Fürle seit 1994.

Die Herbsttagung, die am Freitag in der Kanzler von Pfau'schen Stiftung in Bernburg begann und Samstag zu Ende geht, ist zugleich die letzte unter Leitung des gebürtigen Schlesiers. Sein Nachfolger soll in der nächsten Frühjahrstagung gewählt werden.

Alwin Fürle, der von 1990 bis 2001 auch Ärztlicher Direktor des Landeskrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie in Bernburg war, ist seit einem Fahrradsturz im Mai 2010 körperlich stark beeinträchtigt. Auf dem Weg zu einem ökumenischen Gottesdienst in Ilberstedt geriet vor eineinhalb Jahren das Vorderrad seines Fahrrads auf einem Waldweg so unglücklich in eine Spurrinne, dass das Rad blockierte. Bei dem Sturz über das Lenkrad wurden der vierte und fünfte Halswirbel verletzt. Bei dem Sturz ist der Mediziner denkbar knapp dem Tod oder einer kompletten Querschnittslähmung entgangen.

Nach langen Klinik- und Reha-Aufenthalten kann sich Alwin Fürle heute mit Gehstock oder Rollator über kurze Strecken alleine bewegen. "Ich habe keinen Treppenlift, damit ich in Bewegung bleibe", sagt der 72-Jährige. Trotz der neurologischen Schädigungen ist die Arbeit am Computer weiter möglich.

Was Fürle besonders interessiert, sind geschichtliche Themen, speziell die Kirchengeschichte. "Vielleicht wäre ich eher Historiker geworden, wenn ich nicht in eine Zeit hinein geboren wäre, in der nur die Geschichte der Arbeiterklasse gelehrt wurde", könnte sich der langjährige Psychiater auch einen völlig anderen Beruf vorstellen. Fürles Vater war ein Studienrat, der nicht aus Stalingrad zurück gekehrt ist. Die Mutter lebte von ihrer Schneiderei.

"Ich dachte lange nicht, dass ich zur Oberschule gehen darf", sagt Fürle in Erinnerung an die 1950er Jahre in der DDR. Dann brachte der 17. Juni 1953 eine Änderung in der Kulturpolitik mit sich. Fürle absolvierte das Abitur, studierte in Jena Medizin und kam als angehender Neurologe und Psychiater nach Bernburg.

Es war Christoph Schröter, der spätere Kreisoberpfarrer von Ballenstedt, der ihn für die Arbeit im Gemeindekirchenrat gewann. 1970 wurde Fürle Vorsitzender der Kreissynode, 1989 wurde er von der Landeskirche in die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR geschickt. Nachdem 1991 die Synode der EKD gesamtdeutsch tagte, saß Fürle zwölf Jahre lang bis 2003 im dortigen Präsidium. Mit dem ehemaligen EKD-Präses und Bundesjustizminister Jürgen Schmude aus Moers (Niederrhein) pflegt der Bernburger noch heute brieflichen Kontakt.

Wenn man den langjährigen Kirchenmann fragt, welche Argumente es überhaupt für eine Kirche gibt, dann bekommt der Fragesteller klare Antworten. "Es ist die ethische Seite der Verpflichtungen, die uns Jesus hinterlassen hat; dass man sieht, dass man nichts umsonst tut und dass man nichts ungeschehen machen kann", nennt der 72-Jährige Punkte, die für ihn wichtig sind. Fürle ist davon überzeugt, dass jeder Einzelne Verantwortung trägt für die Gesellschaft und dass kein Leben umsonst ist.