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Abenteuer Abenteuer: Er ist dann mal weg

Von Kerstin Beier 30.05.2012, 17:31

aschersleben/MZ. - Bernd Malcherek ist dann mal weg. Sein Antiquariat auf der Vorderbreite wird ab der kommenden Woche nur noch dienstags und donnerstags am Nachmittag geöffnet sein. Und dann steht auch nicht er selbst inmitten von 60 000 Büchern, die sich in allen Ecken stapeln.

So ungeordnet wie sein Laden wirkt, so ungeordnet ist auch das Leben des 50-Jährigen, der sich auf eine längere Reise machen wird. Auf dem Jakobsweg will er von Frankreich über Pamplona nach Santiago de Compostela in Frankreich wandern. Dabei hat seine Pilgerreise keineswegs religiöse Gründe. "Ich brauche eine Auszeit. Die habe ich immer dann genommen, wenn ich mit dem Leben nicht mehr klarkam", sagt er und denkt an die zwei großen Reisen in seinem Leben: nach seiner Scheidung und dem Tod des Vaters.

Auch jetzt sei er wieder an einem Punkt, wo es nicht mehr weiter- geht. Sein Antiquariat, das er 2003 mit großem Elan aufgebaut hatte, wirft Tageseinnahmen zwischen null und 15 Euro ab. Die Einnahmen decken Miete und Nebenkosten nicht. Sein bescheidenes Häuschen ohne Fernseher und Telefon in der Mauerstraße, das er mit Kredit und historischen Baustoffen gebaut hat, steht zur Zwangsversteigerung. So mancher Traum wie der von einem wiedererstehenden Halken ist zerplatzt. Wenn es je dazu kommt, dass der historische Kern am Fuße der Stephanikirche wieder ansehnlich wird, dann haben er und ein paar Mitstreiter den Anstoß gegeben.

Doch er wird vermutlich nicht dabei sein, wenn die Früchte geerntet werden. Der eigens gegründete Verein macht inzwischen ohne ihn weiter. Der Mann, den mancher in der Stadt für einen schrägen Vogel hält, klingt ernüchtert, wenn er davon spricht, dass sich "kreative Ideen in Aschersleben nicht umsetzen lassen". Er habe vieles versucht in den vergangenen Jahren, versichert der gebürtige Wittstocker, der seit 1990 in der Region, seit 1998 in Aschersleben lebt. Und man glaubt ihm das auch. Eine Wahlperiode lang saß er im Stadtrat. Die Buchhandlung hat er aufgemacht, um nicht arbeitslos zu sein und dem Staat auf der Tasche zu liegen. Von Montag bis Sonnabend hat er im Laden gestanden, am Sonntag war er auf Flohmärkten unterwegs, hat Veranstaltungen aus dem Boden gestampft, um Kunden anzuziehen. Genützt hat das alles nicht viel.

Doch Bernd Malcherek wäre nicht Bernd Malcherek, wenn er den Kopf in den Sand stecken würde. Von der Reise, die er ohne Barschaft und mit leichtem Gepäck antritt, verspricht er sich neue Ideen. Blauäugig, wie er nun mal ist, versteht er die Frage gar nicht, wovon er denn eigentlich leben wird. "Na, ick bin doch Bernd", sagt er und lacht dabei. Es werde sich schon was finden, und "mit ville Jeld reisen" könne schließlich jeder. Wie er zum Ausgangspunkt der Reise kommt, weiß er noch nicht.

Auch den Rucksack hat er bisher höchstens in Gedanken gepackt, obwohl es am Wochenende losgehen soll. Ein paar Klamotten und eine Bratpfanne wird er einpacken. Und seinen gelben Teddy, der ihn seit 48 Jahren begleitet. Vielleicht steckt er auch sein Lieblingsbuch ein: "Das Café am Rande der Welt", das vom Sinn des Lebens erzählt. Sein Schaufenster hat er mit Büchern dekoriert, die zu seiner momentanen Situation passen. "Sorge dich nicht, lebe!" ist natürlich dabei.

Er werde wiederkommen, sagt er. Heute will er sich noch von ein paar Freunden verabschieden. Und er hofft, dass Karin Bienick, eine Art "Ersatzmutter" und unermüdliche Unterstützerin, nicht sauer sein wird. Aber sein Entschluss steht fest, da helfe kein Überreden.