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Ausgesetzt und abgemagert: Kein Geld für Tiere

Von Torben Klausa 14.09.2009, 11:57

Bonn/dpa. - 69 Prozent der Heim- Neuzugänge würden mittlerweile mit der Begründung «finanzielle Not» abgegeben, hat der Deutsche Tierschutzbund ermittelt - das sei deutlich mehr als noch vor zwei Jahren. Sogar Pferde werden völlig abgemagert ausgesetzt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, verteilen inzwischen schon sogenannte «Tiertafeln» kostenlos Futter und praktische Ratschläge an bedürftige Tierhalter.

Doch damit können sie die in Not geratenen, überfüllten Tierheime nur begrenzt entlasten. Sinkende Spendeneinnahmen und die steigenden Futterkosten treiben sie an den Rand der Insolvenz. Wie schnell das gehen kann, weiß Jutta Bosbach vom Tierheim in Wipperfürth: «Wir hatten Tierarztkosten von 30 000 Euro zu begleichen, die Spenden gingen zurück - wir standen kurz vor Ultimo.» Die Leute hätten «mit hanebüchenen Ausreden» ihre Haustiere im Heim abgegeben. «Da stellen die Leute nach vier Jahren fest: 'Wir haben eine Allergie'.» Dahinter vermutet Bosbach rein finanzielle Beweggründe. Vor der Insolvenz rettete das Heim nur eine groß angelegte Spendenkampagne.

In ähnlicher Bedrängnis befindet sich zur Zeit der Kölner Pferdeschutzhof. Dessen Leiterin Ruth Machalet versorgt 30 Tiere auf dem überlasteten Gehöft, und kann sich vor Aufnahme-Anfragen kaum retten: «Wir bekommen pro Woche fünf bis sieben Notrufe», das sei früher «deutlich weniger» gewesen. «Von 2008 an wurde es gefährlich.» Viele der Besitzer hielten ihre Pferde bis kurz vor deren Hungertod, von «Verschrotten» spricht Machalet.

«So weit ist es bei uns Gott sei Dank noch nicht», sagt Angelika Schulz vom Tierheim Bonn. Aber auch sie sieht die Not der Haustierbesitzer: «Es kommen viele Tiere, die finanziell nicht mehr gehalten werden können.» Ihren Herrchen geht die Trennung sichtlich unter die Haut. «Die heulen dann halt», berichtet Schulz.

Betroffen seien vor allem Tierhalter, die in die Sozialhilfe abgerutscht seien, heißt es beim Deutschen Tierschutzbund. Für die Höhe der Unterstützung spiele ein eventuelles Haustier nämlich seit Hartz IV keine Rolle mehr. Dabei seien Tiere gerade wichtig für Menschen, die einsam seien oder Krisen durchlebten, mahnt Thomas Schröder, Bundesgeschäftsführer des Tierschutzbundes: «Ein Hund kommt immer schwanzwedelnd auf einen zu, egal wie man angezogen ist und wie viel Geld man hat.»

Birgit Korfmann kämpft dafür, Bedürftigen diesen «einzigen Halt, den sie oft noch haben, zu erhalten.» Sie gründete gemeinsam mit anderen Ehrenamtlern im Oktober 2008 die Futterausgabe der Tiertafel in Bergheim nahe Köln. Dort verteilt sie jeden Freitag Tierfutter und - zubehör wie Leinen und Näpfe an Tierhalter, die sich ihr Haustier ohne die Unterstützung nicht leisten könnten. Und der Andrang ist enorm: «Wir machen um 15 Uhr auf, um 14.30 Uhr stehen die schon Schlange.» Es gebe Fahrgemeinschaften, die Dutzende Kilometer anreisen, um an das kostenlose Futter zu kommen. «Und jede Woche kommen zehn Neue dazu.»

Die Spenden bekommen die Bergheimer überwiegend von großen Ketten, die B-Ware oder Futter mit nahem Verfallsdatum an die Tiertafel abgeben. All das bedeutet für die Bedürftigen eine «wahnsinnige Entlastung», weiß Wolfgang Schmitz. Er ist zum dritten Mal Kunde der Tiertafel, «weil das Finanzielle einfach nicht da ist.» Dem Hartz IV- Empfänger, der getrennt lebt, bedeuten seine Tiere alles: «Das ist meine Familie, ich könnte sie niemals abgeben.»

Den wachsenden Bedarf an Einrichtungen wie der Tiertafel bezeichnet Schröder als «gefährliche Entwicklung». Das Engagement sei zunehmend «eine Folge des staatlichen Versagens». Es bestehe die Gefahr, «dass der Staat sich keiner Verantwortung mehr stellt, weil er denkt: Das Ehrenamt macht das schon.»

Weitere Informationen: www.tiertafel

Informationen für Pferdehalter: www.pferdeschutzhof.de