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Vertonung Vertonung: Moderne Klänge für alte Filme

Von Gisela Kirschstein 11.10.2010, 11:34

Mainz/dapd. - Bernd Thewes ist Komponist mit dem Schwerpunktmoderne Musik. In seinem Atelier in der Mainzer Neustadt vertont erseit 2004 alte Stummfilme im Auftrag des Fernsehsenders Arte. Soschrieb er die Musik für den Film "Die Gezeichneten" über einJudenprogrom in Russland im Jahr 1905. Den Film drehte Carl TheodorDreyer im Jahr 1922, mitten in der Stummfilmzeit. Für Bernd Thewesim Jahr 2008 ein Glücksfall: Weil es keine Originalmusik gab, bekamder Komponist von Arte den Auftrag, anderthalb Stunden Filmmusik zuschreiben. "Der Stummfilm bietet ganz andere Freiheiten", sagtThewes: Es gebe nicht nur keine Musik, sondern auch keineOriginalgeräusche, der Komponist sei also völlig unabhängig vonVogelstimmen, Hintergrundgeräuschen oder auch dem gesprochenen Wort.

"Bei einem Tonfilm läge ich wahrscheinlich sehr schnell mit demRegisseur im Clinch", sagt Thewes schmunzelnd. Beim Stummfilmschafft der Komponist die Atmosphäre selbst, inspiriert von denGesten der Schauspieler der Stummfilm-Ära. "Obwohl die Filme so altsind, ist das für mich moderner als ein Tonfilm", sagte Thewes. Dererste Stummfilm, den der 53-Jährige für Arte vertonte, war "DieSchwarze Kugel" von Franz Hofer aus dem Jahr 1913. Derzeit passt erfür den "Sprengbagger", einen Stummfilm aus dem Jahr 1929, die alteMusik zum Film auf den inzwischen gekürzten Film an. Das Resultatsoll im März 2011 im WDR zu sehen sein.

Der im saarländischen Illingen aufgewachsene Thewes hatte schonals Jugendlicher eine Vorliebe fürs Experimentelle: Mit 14 entdeckteer die Musik der britischen Progressive-Rock-Band Emerson, LakePalmer. "Das hat mich umgehauen", sagt Thewes. Mit 15 begann erKlavier zu lernen, er studierte Schulmusik in Saarbrücken, dann inMainz Musikwissenschaften. Doch die Klassik reizte den Studentennicht, ihm ging es darum, die Traditionen der Klassik zudurchbrechen, etwa mit Jazz-Elementen - Thewes wurde Experte fürexperimentelle Musik.

Einen Namen macht er sich in der modernen Musik mit dem "IllingerBurgfest": 1988 gründete Thewes zusammen mit einem Freund dasFestival für Neue Musik und leitete es bis 1997, zahlreicheRundfunkproduktionen gingen daraus hervor. Experimentelle Musik sei"ein Inszenieren und in Gang setzen von verschiedenen Sachen,Ansätzen und Denkweisen", sagt der Komponist: Experimentelle Musikbedeute Ausprobieren, auch das Kombinieren von verschiedenen Medienreize ihn.

Dass er mit diesem Anspruch kein Massenpublikum erreicht, nimmtder 53-Jährige bewusst in Kauf. In der heutigen Zeit gelte nur nochdie Quote, deshalb müsse auch Musik vor allem Bekanntestransportieren, sagt er bedauernd. Moderne Musik habe es danatürlich schwer: "Sich die Zeit zu nehmen, einen langen akustischenProzess durchzuhören, bevor man sagt, es gefällt mir oder nicht, dasist in unserer Vermittlungsstruktur nicht mehr gegeben." Doch erhabe "keine Angst davor, etwas zu machen, was nur wenige hören",sagt der Komponist, der bislang rund 100 musikalische Werkegeschaffen hat. Eine "Elite" wolle seine Musik hören und bringe auchdie Muße auf, sich damit auseinanderzusetzen. Und schließlich, fügter hinzu, "war auch Beethovens Neunte zu seiner Zeit ein modernesStück."