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Kommentar zu Billigfliegern Tuifly, Easyjet, Ryanair: Probleme der Billigflieger sind Symptome einer kranken Branche - Kommentar zur Luftfahrt

Von Frank-Thomas Wenzel 09.10.2016, 21:08
Menschenleer zeigt sich am 06.10.2016 der Check-In von Tuifly am Flughafen in Hannover (Niedersachsen).
Menschenleer zeigt sich am 06.10.2016 der Check-In von Tuifly am Flughafen in Hannover (Niedersachsen). dpa

Berlin - Wir wissen nicht, an welchen Symptomen die Piloten und Flugbegleiter von Tuifly litten. Sicher ist aber, dass die Krankmeldungen der vergangenen Tage selbst ein Symptom sind – für den beschwerlichen Wandel der Luftfahrtbranche.

Tuifly soll mit einem Teil der notorisch defizitären Air Berlin in einer neuen Firma zusammengelegt werden. Auffällig ist dabei, dass dafür ausgerechnet der österreichische Ableger Fly-Niki ausgeguckt wurde. Im Nachbarland verdienen die Beschäftigten um die 20 Prozent weniger. Wie auch immer die Konstruktion im Detail aussehen wird, es drohen heftige Gehaltskürzungen. Mehr noch: Völlig klar ist, dass in dem neuen „Verbund“ Stellen wegfallen werden. Das alles hat Tuifly-Crews kurzfristig krank gemacht.

Alles gerät ins Rutschen

Wer nach den tieferen Ursachen für die Verwerfungen sucht, bekommt schnell den viel strapazierten Begriff „Konsolidierung“ zu hören. Das ist eine grobe Verharmlosung. Konsolidieren bedeutet festigen, stabilisieren. Doch in der Fliegerei gerät gerade alles ins Rutschen. Wir stehen in Europa am Beginn einer neuen Ära. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Luftfahrt als nationale Angelegenheit mit staatlichen Flotten betrieben. Privatisierungen und Liberalisierungen ließen den Markt erheblich größer, die Ticketpreise erheblich geringer werden.

Motoren waren die Billigflieger, die auf Provinzflughäfen starteten und landeten. In Europa allen voran Ryanair und Easyjet. Doch das Wachstum schwächt sich immer weiter ab. Ein Verdrängungswettbewerb entwickelt gerade immense Schubkraft. Am aggressivsten gehen es erneut Ryanair und Easyjet an, die sich jetzt auf den großen Flughäfen breitmachen. Air Berlin bekommt das zu spüren, aber auch die Lufthansa. Letztere will nun mit der Tochter Eurowings das Geschäftsmodell der Flug-Discounter imitieren.

Umsteigen nach Abu Dhabi

Während Air-Berlin-Großaktionär Etihad plant, die Hauptstadt-Fluglinie in einer Brachialaktion dreizuteilen – zur Ferienfliegerei mit Tui kommt, dass man 35 Maschinen nebst Besatzung an die LH-Töchter Eurowings und AUA vermieten will. Der Rest von Air Berlin dürfte sich demnächst vornehmlich darum kümmern, Passagiere zum Umsteigen in Maschinen des arabischen Großaktionärs nach Abu Dhabi zu fliegen. Ob Air Berlin damit gefestigt werden kann, ist sehr fraglich.

Denn die Konkurrenz ist groß. Insgesamt etwa anderthalb Dutzend Billigflieger, die allerdings ebenfalls mit wechselndem Erfolg agieren, sind im europäischen Luftraum unterwegs. Hinzu kommt eine noch beachtliche Zahl ehemaliger Staats-Airlines, die aber oft nur mit Mühe die Flughöhe halten können. Unter Experten dominiert als Leitszenario, dass letztlich nur eine Handvoll Akteure übrig bleiben wird. Dazu zählen drei große Konglomerate, die sowohl weltweit als auch mit Low-Cost-Ablegern in Europa unterwegs sind: die Gruppen um British Airways/Iberia, um KLM/Air France und um die Lufthansa.

Arbeit für die Gewerkschaften

Ergänzt selbstverständlich durch Ryanair und Easyjet. Sie werden die Rivalen mit immer neuen Preiskämpfen vor sich hertreiben. Die beiden Billigmarktführer haben in puncto Effizienz einen Riesenvorsprung. Und nicht zu guter Letzt: Sie zahlen ihren Beschäftigten teils deutlich weniger, zugleich muss bei ihnen mehr gearbeitet werden.

Hier wartet viel Arbeit auf die Gewerkschaften. Erhebliche Abstriche bei den Gehältern werden sie nicht verhindern können, zumal es insbesondere bei Cockpit-Crews Spielräume gibt. Bei den Beschäftigten in der Kabine und am Boden wird es aber darum gehen, überhaupt halbwegs akzeptable Arbeitsbedingungen zu sichern. Das erfordert von Gewerkschaftern viel Zähigkeit und Weitblick. Mit nicht ganz legalen Krankmeldungen ist es jedenfalls nicht getan.