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Prozesse um Kriegsverbrecher  Prozesse um Kriegsverbrecher : Kampf um die Deutung der Geschichte

Von Steffen Könau 09.09.2016, 18:05
Der KZ-Mann Ernst Heinicker wurde in Waldheim verurteilt.
Der KZ-Mann Ernst Heinicker wurde in Waldheim verurteilt. dpf

Halle (Saale) - Als das Landgericht München II den ehemaligen KZ-Wachmann John Demjanjuk vor fünf Jahren wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft verurteilte, war der Täter 91 Jahre und seine Taten lagen fast 70 Jahre zurück. Warum nicht früher? Warum erst jetzt, wo die meisten Beschuldigten längst tot sind? Es ging doch auch anders, behaupten Dieter Skiba und Reiner Stenzel in ihrem Buch „Im Namen des Volkes“ (Edition Ost, 29,99 Euro), das die auf DDR-Seite geführten Verfahren gegen Nazi- und Kriegsverbrecher auf 450 Seiten erstmals systematisch aufführt.

In der DDR gab es mehr Nazi-Verfahren

Beispielhaft, wie die beiden Autoren meinen, die einst selbst als Mitarbeiter der Hauptabteilung Untersuchung beim Ministerium für Staatssicherheit nach alten Nazis gefahndet hatten. Während in der ersten Bundesregierung nach dem Krieg mehr Nazis gesessen hätten als in Hitlers Kabinett, habe die DDR konsequent aufgeräumt und „an Nazi-Verbrechen beteiligte Personen ermittelt, überführt und verurteilt“. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In der viermal kleineren DDR gab es mehr Verfahren gegen Altnazis und auch mehr Verurteilungen. Ein Umstand, den Skiba und Stenzel nutzen, im Kampf um die Deutungshoheit über die Geschichte den alten Gesang vom besseren Deutschland DDR anzustimmen.

Unvorstellbare Grausamkeit

Das aber zeichnete sich eben nicht nur durch Konsequenz, sondern auch durch eine heute kaum noch nachvollziehbare Grausamkeit aus. Etwa im Fall des jungen Kommunisten Arthur May, den die Gestapo 1933 zur Spitzeltätigkeit genötigt hatte. May, damals gerade 25 Jahre alt, habe Genossen aus dem Kommunistischen Jugendverband und der KPD benannt, die später festgenommen worden seien. Zudem habe er im Auftrag der Gestapo geflüchtete KPD-Funktionäre ins Reich zurücklocken sollen. Das gelang zwar nicht, dennoch verurteilte das Landgericht Chemnitz den 42-Jährigen im Mai 1950 zum Tod und das Oberlandesgericht Dresden verwarf die beantragte Revision schon im Juni. Arthur May wurde hingerichtet. (mz)