1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Eltern sind IS-Anhänger: Opa holt Kleinkind von Islamisten aus dem Irak nach Deutschland

Eltern sind IS-Anhänger Opa holt Kleinkind von Islamisten aus dem Irak nach Deutschland

Von Markus Decker 02.02.2018, 16:52
Ein Syrerin überquert mit einem Baby auf dem Arm die Grenze zur Türkei. (Symbolbild)
Ein Syrerin überquert mit einem Baby auf dem Arm die Grenze zur Türkei. (Symbolbild) AP

Berlin - Erstmals ist ein Kind einer deutschen Anhängerin der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus irakischer Haft entlassen und in die Bundesrepublik gebracht worden. Einen entsprechenden Bericht bestätigte das Auswärtige Amt der Deutschen Presse-Agentur.

Offenbar handelt es sich um einen 14 Monate alten Jungen, der im IS-Gebiet geboren wurde. Seine Eltern stammen aus Hessen und sitzen im irakischen Erbil in Untersuchungshaft. Gegen die beiden werde in Deutschland und im Irak wegen Terrorismusverdachts ermittelt, heißt es. Der Großvater des Jungen sei in den Irak gereist und habe das Kind unter Vermittlung des Auswärtigen Amtes und mit Zustimmung der irakischen Justiz übergeben bekommen. Zuvor habe ein DNA-Test die Verwandtschaft nachgewiesen.

Kinder sollten zunächst als Opfer gesehen werden

Die Bundesregierung hatte zuletzt vermutet, dass mehr als 100 Kinder von aus Deutschland ausgereisten Anhängern der Terrormiliz IS in die Heimat zurückkehren könnten. Das war Anfang Januar aus einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervorgegangen. Zugleich hatte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, zuletzt mehrfach vor heimkehrenden Minderjährigen gewarnt.

Die Leiterin der Berliner Beratungsstelle „Hayat“ für die Deradikalisierung radikaler Muslime, Claudia Dantschke, sagte dieser Zeitung: „Es ist wichtig, die Kinder zunächst erstmal als Opfer zu begreifen – Opfer ihrer Eltern, die sie in ein Kriegsgebiet mitgenommen und dort einer radikalen Ideologisierung ausgesetzt haben. Wir haben als Staat eine Schutzpflicht für sie. Es geht um das Kindeswohl. Und das ist enorm gefährdet, wenn sie dort im Gefängnis mit ihren Eltern in Massenzellen sitzen.“ Allerdings müssten die Kinder nach ihrer Rückkehr intensiv begleitet und ihre traumatischen Erlebnisse aufgearbeitet werden. Man dürfe sie nicht sich selbst überlassen.

Ähnlich äußerte sich der Freiburger Politikwissenschaftler Heiner Vogel, der den auf Islamisten spezialisierten Blog Erasmus Monitor betreibt. „Kinder haben jedes Recht, ein normales Leben zu führen, weil sie unschuldig sind“, erklärte er. „Ich würde sie nicht reflexhaft als potenzielle Gefahr bezeichnen.“ Überdies solle man Kinder von ihren Eltern trennen, wenn diese sich nicht von islamistischer Gewalt distanzierten.

„Der deutsche Staat muss nicht jeden, der im Irak in Haft sitzt, rausholen“

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, äußerte sich zurückhaltend. Er sagte dieser Zeitung: „Eine diplomatische Betreuung muss gewährleistet sein.“ Und Kleinkinder verdienten natürlich Rücksichtnahme. Ansonsten müsse man sich auch bei Minderjährigen „jeden Einzelfall anschauen. Der deutsche Staat muss nicht jeden, der im Irak in Haft sitzt, rausholen. Und die Möglichkeiten deutscher Behörden, das zu tun, sind ohnehin sehr begrenzt.“ Zunächst fielen Betroffene in die staatliche Hoheit der dortigen Behörden. Sein SPD-Kollege Burkhard Lischka erklärte: „Es gebietet die Menschlichkeit, dass wir uns um solche Kinder kümmern. Sie können nichts für ihre Eltern.“ Ein Plädoyer, minderjährige deutsche Islamisten in jedem Fall heimzuholen, gab auch er nicht ab.

Erst kürzlich hatte ein irakisches Gericht eine Deutsche wegen IS-Mitgliedschaft zum Tode verurteilt. Es handelt sich um eine aus Mannheim stammende Deutsch-Marokkanerin namens Lamia K. Sie hatte zugegeben, Deutschland in Richtung Syrien und Irak verlassen zu haben, um sich dem IS mit ihren beiden Töchtern anzuschließen. In Haft sitzt auch die minderjährige Linda W. aus dem sächsischen Pulsnitz. Sie soll eine weniger herausragende Stellung als Lamia K. gehabt haben und fällt zudem unter das irakische Jugendstrafrecht. Ihre Rückkehr gilt als wahrscheinlich.