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Natascha Kohnen Natascha Kohnen: Bayerische Politikerin landet mit bewegender Rede einen Internet-Hit

Von Jörg Wimalasena 19.02.2016, 10:44

Berlin - Beim letzten Redner sind die meisten schon weg. So ist es im Bundestag, und so ist es auch im Bayerischen Landtag. Die bekanntesten Politiker haben dann bereits gesprochen.  Und so blieb eine Rede vom 2. Februar lange unentdeckt, die Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD, zeitverzögert zu Ruhm verholfen hat, seit sie sie bei Youtube und Facebook tausendfach angeklickt und geteilt wurde. Es geht um eine Generalabrechnung mit der CSU.

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Als die 48-Jährige mit Brille und schwarzem Schal an jenem Dienstag als letzte Rednerin der aktuellen Stunde des Bayerischen Landtags ans Pult tritt, ist das Thema wie so oft: Flüchtlinge. Die Münchnerin hat Wut im Bauch. „Keiner hier in diesem Saal kann beurteilen wie Flüchtlinge zu handeln haben“, ruft sie in Richtung CSU.  Minuten zuvor hatte deren Abgeordnete Gudrun Brendel-Fischer Flüchtlingen indirekt Feigheit vorgeworfen. „Ich kann mich an Kriegsszenarien erinnern, als man Frauen und Kinder ins Ausland geschickt hat und selbst im Land geblieben ist.“ Das hat Kohnen offenbar so in Rage versetzt, dass sie hinzufügt: „Es gibt auch Aussagen, die Männer sollen zuhause bleiben und kämpfen. Keiner von uns war im Krieg, ich finde das anmaßend“, ruft sie und dürfte Recht damit haben, dass der Großteil der bayerischen Parlamentarier keine Bürgerkriege miterleben musste. Kohnen gelingt es, die CSU-Parlamentarier als herzlose Besserwisser darzustellen, die aus Sicherheit und Wohlstand heraus Kriegsopfern Verhaltensvorschläge machen. Der Coup gelingt.

Pragmatische Stimme der Vernunft 

Besonders CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer – der eine Rückkehr zu Dublin und Schengen forderte - bekommt den Zorn der Oppositionspolitikerin zu spüren. „Dublin ist ein Abkommen, das Deutschland ermöglicht hat, jahrelang wegzugucken.“ In der Tat macht das Dublin-Abkommen - das vor allem auf deutsche Initiative ins Leben gerufen wurde - es für Flüchtlinge fast unmöglich, legal in Deutschland Asyl zu beantragen. Es sieht vor, dass Flüchtlinge nur in dem Land, in dem sie zuerst EU-Boden betreten, Asyl beantragen können. Da Deutschland mit Ausnahme der Schweiz von EU-Staaten umgeben ist, gibt es praktisch keine legale Möglichkeit, in Deutschland Asyl zu beantragen. Eine Rückkehr zu Dublin wäre eine Rückkehr zu ebendieser Konstellation.

Auch die Kritik an ihrem Parteigenossen Frank-Walter Steinmeier will Kohnen nicht gelten lassen. Anstatt über die Bemühungen des Außenministers zu lachen, der sich um eine Kontingentlösung für die Aufnahme von Flüchtlingen bemühe, solle die CSU „in der Bundesregierung zusammenarbeiten.“ In der Tat: Die CSU präsentiert sich seit einiger Zeit in Flüchtlingsfragen mehr als Oppositionspartei denn als Regierungspartei. Auch dieser Nierenschlag sitzt. Während sich Kohnen als pragmatische Stimme der Vernunft inszeniert, stellt sie die CSU als destruktive Provinzler dar.

Hoffnung für die SPD 

Dass die CSU-Fraktion mit Grölen und höhnischem Applaus auf Kohnens Angriffe reagiert, spielt der SPD-Frau in die Karten – und verschafft ihr Publicity. In der vergangenen Woche hat sich das Video zu einem viralen Hit entwickelt, verschiedene Zeitungen berichteten über Kohnens Wutrede. Ganz spontan dürfte die Ansprache aber nicht gewesen sein.

2018 wird in Bayern gewählt, wer die SPD in den Wahlkampf führt, ist noch nicht entschieden. Schon mehren sich die Stimmen, dass die Münchnerin die Frau sein könnte, die der Partei in Bayern Profil verschaffen kann, was angesichts der Übermacht der CSU und dem mageren Umfrageergebnis der Sozialdemokraten (17 Prozent) auch nötig ist. Seit Dezember ist sie Mitglied im Bundesvorstand der Sozialdemokraten. Auch die Bayern-SPD könnte davon profitieren, Natascha Kohnen bei künftigen Debatten nicht erst als Letzte ans Pult zu schicken.