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Netzwerk Netzwerk: Die Generation Post-Protest

Von JULIA KLABUHN 25.05.2010, 17:02

HALLE/MZ. - Vor rund zwei Jahren gründeten vier hallesche Studenten deshalb eine Regionalgruppe des studentischen Netzwerkes für Wirtschafts- und Unternehmensethik "sneep".

"Wir sind durch unseren Professor für Wirtschaftsethik, Ingo Pies, auf das Thema gekommen", sagt Annette Illy, Mitgründerin der Gruppe. Für die Zukunft sei das Themenfeld sehr wichtig. "Vieles in der Wirtschaft funktioniert nicht richtig", so Illy. Deshalb sei es umso wichtiger, sich ausführlicher mit Fragen der Nachhaltigkeit, Unternehmensethik, des Klimaschutz und der Armutsbekämpfung zu befassen.

"Viele Menschen denken immer noch, dass Wirtschaft und Ethik sich beißen", sagt Lisa Marquardt, die Volkswirtschaftslehre studiert. Dies sei nicht der Fall, fast jedes größere Unternehmen habe inzwischen eine CSR-Abteilung (Corporate Social Responsibility) eingerichtet, die sich mit Fragen der unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung beschäftige. "Das Problem ist, dass zwar viele Firmen etwa mit Nachhaltigkeit werben, aber oft wenig dahinter steckt", sagt Tanja Jänicke, BWL-Studentin und "sneep"-Mitglied. Auf solche Fälle wolle "sneep" aufmerksam machen.

Dabei setzen die Studenten allerdings nicht auf Protest-Kampagnen, sondern auf den inhaltlichen Dialog mit Unternehmen. Bei Exkursionen lassen sie sich die CSR-Strategien von Unternehmen erläutern und diskutieren deren Wirksamkeit. Außerdem organisieren sie bei wissenschaftlichen Konferenzen Workshops zu wirtschaftsethischen Fragen. Mehrere Regionalgruppen des deutschlandweiten "sneep"-Netzwerkes haben zudem ein Lehrmodul entwickelt, das an Hochschulen eingesetzt werden kann. Denn während in anderen Ländern die Wirtschaftsethik teilweise schon verpflichtend auf dem Lehrplan steht, ist das Fachgebiet in Deutschland noch nicht flächendeckend verbreitet.

"In Halle sind wir mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsethik vergleichsweise gut aufgestellt", sagt Illy. Sie schätzt, dass rund 90 Prozent der halleschen Studenten in wirtschaftswissenschaftlichen Fächern Veranstaltungen in dem Fach besuchen. CSR sei eine sehr junge Disziplin, in der sich auch beruflich noch viele Nischen finden. Auch das ist ein Grund, warum viele Studenten die Arbeit bei "sneep" sinnvoll finden. Das Netzwerk hat eine Praktikumsbörse eingerichtet, die Mitglieder hätten in vielen Unternehmen inzwischen einen guten Ruf, so Illy.

Allerdings ist Wirtschaftsethik nicht nur für angehende Wirtschaftswissenschaftler interessant. In den bundesweit fast 30 "sneep"-Gruppen sind auch Studenten und junge Wissenschaftler aus anderen Fächern - etwa Soziologie, Jura, Politik und Informatik - vertreten. Auch das politische Spektrum sei breit, so Marquardt. "Von sehr liberal bis hin zu ökosozial ist alles vertreten", sagt sie.

Die Herbsttagung des "sneep"-Netzwerks wird in Halle stattfinden. "Hauptthema werden nachhaltige Investments sein", sagt Illy. Banken, die nachhaltige Anlagestrategien anbieten, verzeichneten derzeit eine hohe Nachfrage. Und auch bei anderen Themen der Wirtschaftsethik gelte: "Vor einigen Jahren waren diese Ideen noch eher exotisch, spätestens seit der Finanzkrise gibt es ein deutlich höheres Bewusstsein dafür", sagt Illy.