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Studium eignet sich am ehesten für Fernbeziehungen

Von Daniel-Patrick Görisch 04.09.2008, 07:19

Berlin/Darmstadt/dpa. -  Wie kaum eine andere Lebensphase eignen sich die Studentenjahre für Fernbeziehungen. Meist sind noch keine Kinder im Haus, und Auslandsaufenthalte lassen sich zum gleichen Zeitpunkt verwirklichen.

Semesterferien und verlängerte Wochenenden bieten die Möglichkeit, sich trotz der Entfernung zu sehen. E-Mail und Handy erleichtern ebenfalls die Liebe auf Distanz, sagt die Psychologin Fanny Jimenez von der Humboldt-Universität in Berlin. Sie hat online mehr als 1400 Fernverliebte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt und ist überzeugt: Mit einigen Regeln lässt sich auch auf Distanz Nähe aufbauen.

Wichtig dafür sind verbindende Rituale wie die «Guten-Morgen-SMS» und bestimmte Zeitpunkte für Telefonate, so Jimenez. Auch Briefe, Fotos, Internetchats oder gemeinsame Erkundungen in einem Onlinespiel können die gefühlte Distanz verringern. Den Partner aus der Ferne immer wieder zu überraschen, mit Postkarten, Päckchen oder Spontanbesuchen, rät der Hamburger Psychologe Christian van der Ende.

Die Zahl der Kilometer, die Pärchen real trennt, spielt der Berliner Umfrage zufolge für die Beziehungszufriedenheit keine Rolle. Zudem unterscheiden sich die Befragten in der Dauer ihrer Beziehung, der Wahrscheinlichkeit für Seitensprünge und der Trennungsrate nicht von Zusammenlebenden. Wenn man sich so wenig sieht, sei der Sex besser, hört Jimenez von vielen Paaren.

Zehn Zeitzonen trennen die Kommunikationsdesign-Studentin Nina Pähler aus Darmstadt von ihrem Freund Martin. Der angehende Wirtschaftsingenieur schreibt in Australien seine Diplomarbeit. Sechs Jahre sind die 24-jährige Nina und ihr 26-jähriger Freund schon zusammen, die meiste Zeit an unterschiedlichen Orten: Wuppertal - Karlsruhe, Darmstadt - Karlsruhe, Krakau - Barcelona.

Das Paar ist fernbeziehungserprobt - und glücklich, wie Nina Pähler betont. «Martin könnte der Vater meiner Kinder sein. Wenn man weiß, dass der Partner der Richtige ist, lassen sich die Zeiten gut überwinden», sagt sie. Sie sieht viele Vorteile in der Fernbeziehung: Die Partnerschaft ist spannend. Man lernt beim Pendeln fremde Städte und Länder kennen. In wechselnden multikulturellen Wohngemeinschaften falle das Sprachenlernen leicht. Vor allem biete die Fernbeziehung Raum für die eigene Entwicklung.

Viele Fernbeziehungspaare schätzen die Autonomie. Freiheitsliebende fänden darin die Balance aus Verbundenheit und Distanz, sagt van der Ende. Diese Beziehungen führten zu mehr Offenheit und zu einer besseren Kommunikation unter den Partnern, beobachtet Fanny Jimenez.

Doch es gibt auch Nachteile: Das Pendeln kostet Zeit und Geld, das oft knapp ist. Mitfahrzentrale, Billigflüge und Bahnangebote sind eine Lösung - erfordern aber frühe Planung. In wechselnden Wohngemeinschaften steht das Privatleben unter Beobachtung. «Nackt durchs Wohnzimmer laufen, ist nicht», sagt Nina.

Auch einsame Tage und Phasen, in denen man auseinander driftet, kennt Nina Pähler. Je länger sie Martin nicht sieht, desto länger sind auch die Anlaufzeiten beim nächsten Treffen: bei einer Woche dauere es ein Stündchen, bei einem Monat einen Tag. Sich länger als ein halbes Jahr nicht zu sehen, gehe gar nicht.

Mindestens einmal im Monat sollten sich Fernbeziehungspaare sehen, rät Fanny Jimenez, die zum Thema «Distanz und Nähe in Fernbeziehungen» promoviert. Sonst bestehe die Gefahr, dass das Gefühl bröckelt, sich auf den anderen stets verlassen zu können.

Die wenige gemeinsame Zeit sollten Paare in Fernbeziehungen bewusst positiv gestalten, rät van der Ende: «Sie müssen davon zehren können.» Es ist die Aufgabe des Besuchten, die Zeit besonders zu gestalten, etwa mit einem Frühstück im Bett oder einer Überraschungsparty. Damit Diskussionen und Konflikte nicht die Wochenenden vermiesen, rät Jimenez, Probleme in der Zwischenzeit zu klären.

Mit 35 Jahren endet das typische Fernbeziehungsalter, so die Statistik. Beim Zusammenziehen stellt sich für viele erprobte Fernliebende die nächste Herausforderung: Ein Drittel der Paare trennt sich innerhalb der ersten drei Monate. «Aus zu viel Distanz wird plötzlich zu viel Nähe», sagt der Psychologe Christian van der Ende aus Hamburg. Sich gemeinsam eine neue Wohnung einzurichten, statt zum Partner zu ziehen, könne dann helfen. Freiheitsliebende, die es sich leisten können, sollten zum Eingewöhnen eine eigene Wohnung am gleichen Ort beziehen.