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Einstige Gemeindeschwester geht in Ruhestand Einstige Gemeindeschwester geht in Ruhestand: Gerda Koch hängt Kittel an den Nagel

Von Helga Koch 22.03.2018, 16:00
Gerda Koch hängt ihren Schwesternkittel an den berühmten Nagel.
Gerda Koch hängt ihren Schwesternkittel an den berühmten Nagel. Schumann

Kelbra - „Ich werde wohl eine der letzten Gemeindeschwestern sein, die noch gearbeitet hat“, sagt Gerda Koch aus Tilleda. Sie ist jetzt von Sebastian Just, Vorstand des Sangerhäuser Kreisverbands des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), und ihren Kolleginnen von der Sozialstation verabschiedet worden, bei der sie seit Juli 1991 gearbeitet hat. Im Dezember wären es 40 Dienstjahre geworden. Doch nun ist Schluss.

Nachdem sich die 63-Jährige am Montag noch reihum von den Ärzten verabschiedet hat, beginnt ihr Ruhestand. „Mein Mann hat 43 Jahre lang immer wieder auf mich Rücksicht genommen“, erzählt sie. Denn wenn am Wochenende ein Anruf kam, sie werde gebraucht, war es selbstverständlich, dass sie sofort losfuhr, obwohl sie vielleicht gerade Kaffee trinken wollten.

Gerda Koch freut sich auf den Ruhestand und das Familienleben

Das wird also nicht mehr vorkommen. Statt dessen will Gerda Koch das Familienleben genießen, die beiden Kinder wohnen mit ihren Familien - ein seltenes Glück! - gleich nebenan.

Eigentlich stammt Gerda Koch aus „Rio“. „Ich bin ein richtiger Aschkloß“, erzählt sie lachend. Zur Schule ging sie erst in Tilleda, später in Sangerhausen. „In der Thälmannschule waren wir zwei große Klassen. Ich war die Einzige, die Krankenschwester werden wollte. Mein Traumberuf!“ Ihre Ausbildung absolvierte sie im Sangerhäuser Krankenhaus, arbeitete als Stationsschwester und trat am Neujahrstag 1979 ihren Dienst als Gemeindeschwester an.

„Das war ein strenger Winter“, erinnert sie sich. „Unser Sohn war vier Monate.“ Angestellt beim damaligen Landambulatorium Kelbra, war sie entweder mit dem Fahrrad oder ihrer blauen Schwalbe vor allem in Tilleda und Sittendorf unterwegs. „Dreimal wöchentlich habe ich die Sprechstunde beim Hausarzt mit abgesichert und auch selbst Sprechstunde gehabt, wenn beispielsweise Verbände täglich zu wechseln oder Spritzen zu geben waren.“ Damals, vergleicht sie, hätten viele Angehörige die Pflege mit übernommen.

Gerda Koch kann viele Geschichten aus ihrer langen Dienstzeit als Gemeindeschwester berichten

Zu den vielen Geschichten, die sie aus ihrer langen Dienstzeit erzählen könnte, gehört auch die vom 1984er Karnevalsumzug in Tilleda, als auf einem Umzugswagen eine Staatsratseingabe formuliert und ein Telefon für Schwester Gerda gefordert wurde. „Das hatte ich innerhalb von drei, vier Wochen. Es fehlten nur 100 Meter Kabel.“

Aber natürlich hat die 63-Jährige nicht nur solche oder andere Geschichten zu erzählen, die gut ausgingen, sondern auch manches erlebt, was traurig oder tragisch war. Schwere Verkehrsunfälle, zu denen sie gerufen wurde. Oder wenn Patienten, die noch jung waren oder die sie über Jahre betreut hatte, den Kampf gegen die Krankheit verloren.

Gemeindeschwester fuhr oft mit dem Moped zum Dienst

Kraft, um den anstrengenden Dienst als Gemeindeschwester und bei der Sozialstation zu meistern, habe ihr immer ihre Familie gegeben, sagt die 63-Jährige. „Früher war ich rund um die Uhr im Einsatz, bei Wind und Wetter oder Glätte. Zum Beispiel bin ich mal mit dem Moped nach Sittendorf gefahren, dann war es kaputt. Ich bin im Schneesturm nach Hause gelaufen, und mein Mann hat es später geholt.“

Wie viele Kilometer sie im Lauf der Jahre unterwegs war, könne sie gar nicht schätzen. Trotzdem: „Schade, dass es das Berufsbild der Gemeindeschwester nicht mehr gibt.“

Über die lange Zeit sei doch einiges auf der Strecke geblieben, sagt Gerda Koch. Sie freue sich umso mehr aufs Reisen, auf Musical- oder Theaterbesuche. Im Mai plant sie mit ihrem Mann eine Tour entlang der Weser: „Das Radfahren ist unser Hobby geworden.“ (mz)