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Quedlinburger in Berlin Quedlinburger in Berlin: Unsichtbar wie Luft

Von RÜDIGER FRITZ 20.08.2009, 19:35

BERLIN/MZ. - Am Nachmittag wird es hier unten auf der blauen Laufbahn um die 40 Grad heiß sein. Lothar Fricke steht ein anstrengender Einsatz bevor.

Der 52-jährige Quedlinburger ist bei der Leichtathletik-WM in Berlin mit zwei weiteren Offiziellen für die Innenraumkontrolle zuständig. Er ist so etwas wie das Ordnungsamt im Stadion. Ein kräftezehrender Job. "Täglich bin ich bestimmt zehn Kilometer für meine Aufgabe unterwegs", sagt er. Doch dabei kommt er den ganz Großen des Sports so nah wie kaum ein anderer. Usain Bolt ist im Weltrekordtempo an ihm vorbeigesprintet. Freudenschreie und -tränen hat er aus nächster Nähe erlebt. Auch die der Deutschen - Steffi Nerius, Nadine Kleinert oder Robert Harting.

Lothar Fricke ist seit 37 Jahren Kampfrichter, hier in Berlin erlebt er den Höhepunkt seiner Laufbahn. Seine Aufgabe: "Ich passe auf, dass die Athleten eine ordentliche Wettkampfanlage vorfinden. Nichts darf herumliegen", sagt er. "Wichtig ist auch, den Fernsehkameras freie Sicht zu bieten." Es komme vor, dass er Leute wegschieben müsse. Mitunter selbst die Athleten. Und die empfinden das gewiss nicht immer als angenehm. Aber selbst wenn es sich dabei um große Stars wie Langstreckenläufer Kenensia Bekele oder Sprint-Weltrekordler Bolt handelt, keiner falle deswegen aus der Rolle. "Sie lächeln meist, manchmal etwas nachsichtig, wenn ich sie darum bitte, etwas zu unterlassen", sagt Fricke. "Ich hatte noch kein unangenehmes Erlebnis mit ihnen."

Ohnehin vermeidet er am liebsten den engen Kontakt. Seine Mission beschreibt Fricke so: "Am besten erfüllen wir unsere Aufgabe, wenn uns niemand wahrnimmt. Wir wollen so unsichtbar sein wie die Berliner Luft." Doch das ist graue Theorie. Manchmal muss er eingreifen. Wie vorigen Sonntag, ausgerechnet zur großen deutschen Feierstunde, als Kugelstoßerin Nadine Kleinert und Siebenkämpferin Jennifer Oeser Silber gewannen. Deren Ehrenrunde wurde zum Problem. Fricke musste die Laufbahn für das 100-Meter-Finale freibekommen. "Nadine Kleinert hat mir dabei geholfen", erzählt er. "Sie hat zu den Mehrkämpferinnen gesagt. ,Lasst uns auf den Rasen gehen, sonst verzögert sich alles'."

Fricke fiel auch die Aufgabe zu, Oeser zum Ausziehen ihres T-Shirt mit der Aufschrift "Danke Berlin" aufzufordern. "Nicht wegen des Schriftzuges, sondern weil auf der Rückseite das Logo des Sportartikelherstellers Nike aufgedruckt war", erklärt er. "Das zu zeigen, verbietet eine Order des Welt-Leichtathletik-Verbandes."

Doch es gibt auch die erfreulichen Aufgaben, wenn auch manchmal etwas außerhalb des Protokolls. Am Dienstag half er Steffi Nerius. Die hatte gerade Gold im Speerwurf gewonnen, konnte aber nicht ewig Autogramme schreiben. Also drückte sie Fricke ein Paket unterschriebener Karten in die Hand, die er an Kinder verteilte.

Lothar Fricke ist im Alltag bei der Stadt Quedlinburg als Hausmeister am Bildungshaus Carl Ritter angestellt. Er ist einer von sieben Sachsen-Anhaltern, die bei der WM im Einsatz sind. Auch sein 30-jähriger Sohn Rayk ist dabei. "Man kann sich für die Aufgabe nicht bewerben, sondern man wird ausgewählt", sagt Fricke. "Das ist durch den Deutschen Leichtathletik-Verband geschehen. In einer sogenannten NTO-Prüfung." Das steht für nationale technische Offizielle. "Dass die Wahl auch auf mich fiel, empfinde ich als große Ehre."

Eine anstrengende Ehre. Frickes Tage in Berlin sind lang. Sein Einsatz am Donnerstag endet gegen Mitternacht. Der lange Tag, die Hitze - das verlangt Fitness. Fricke war früher Leichtathletik-Mehrkämpfer, ist Langstrecken gelaufen. Er war Handball-Torwart, stand an der Tischtennisplatte und ist Volleyballer. "Ich halte das gut durch", sagt er.

Es geht eben um Höchstleistungen bei dieser WM.