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Judo Judo: Wie Engel und Teufel

Von RÜDIGER FRITZ 30.08.2010, 20:36

HALLE/MZ. - Diese Augen funkeln wie Sterne. Katzenhaft, hin und her, nie in Ruhe. Wenn Blicke töten können, dann aus diesen Augen, möchte man meinen. Aus denen von Luise Malzahn. Im falschen Moment sollte ihr keiner in die Quere kommen - nicht nur, weil sie ein Judoka erster Güte ist. Das alles kann sich freilich in Sekundenbruchteilen ändern. Sie ist ein Irrwisch, Spaßvogel, Vulkan. Ziemlich viel für eine 20-Jährige.

Luise Malzahn wird kommende Woche in Japan zum ersten Mal bei einer WM für Deutschland an den Start gehen. Das Besondere. Sie fliegt gemeinsam mit ihrer Schwester Claudia dorthin. Das gab es im deutschen Team noch nie.

Für das Malzahn-Duo kann man höchst unterschiedliche Begriffe finden. "Die beiden sind wie Florett und Säbel", sagt Klaus-Dieter Malzahn, der Vater. Werner Schulze, der Trainer, drückt es so aus: "Sie sind wie Engel und Teufel." Was am Ende auf dasselbe hinausläuft: Der robuste Säbel, der Teufel, das ist Luise. Das feine Florett, der Engel, das ist Claudia Malzahn, die fast sieben Jahre ältere Schwester. "Der Engel und der Teufel, beides ist sehr angenehm, wenn auch höchst unterschiedlich", meint der Coach. Doch vor allem kann diese Unterschiedlichkeit an einer Sache nichts ändern: Claudia und Luise sind ein Herz und eine Seele. Nicht ohne meine Schwester. Gegensätze ziehen sich an.

"Ich bin erwachsener", sagt Claudia Malzahn. Drei Worte nur, aber ein Satz mit diplomatischem Schliff. Will sagen: Wo die Ältere noch überlegt, hat die Jüngere oft schon aus dem Bauch heraus entschieden. Wenn die eine es mal etwas ruhiger angehen lässt, dann könnte die andere noch Bäume ausreißen. Voller Temperament sind beide, nur zeigt die eine das nicht so deutlich wie die andere. Ganz klar, wenn die wenige freie Zeit im Hochleistungssport einen Discobesuch zulässt, dann ist Luise vornweg. Claudia sagt noch: "Sieben Jahre Altersunterschied machen einiges aus."

Jede auf ihre Art, haben die Malzahn-Schwestern etwas Einmaliges erreicht. Sie starten gemeinsam bei der Judo-Weltmeisterschaft in Tokio vom 9. bis 13. September. Dass es Geschwister in einem deutschen Judo-WM-Team noch nie gegeben hat, nehmen sie locker. "Wird mal Zeit", meint die eine. Und wer könnte das anders als Luise gewesen sein?

Dass Claudia es in ihrer 63-Kilo-Gewichtsklasse schafft, daran gab es keine Zweifel. "Ihre Erfolge in diesem Jahr sind schon beängstigend", meint Vater Malzahn, der hauptamtlicher Geschäftsführer beim Sportverein Halle ist, dem die Töchter angehören. Bei allen sechs wichtigen internationalen Turnieren in Europa, Afrika und Südamerika stand sie auf dem Siegerpodest. Drei hat sie gewonnen. "Sie steht in ihrem Zenit", meint Trainer Schulze. "Das Niveau wollen wir bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London halten, und noch etwas steigern."

Mit Luise, die im Limit bis 78 Kilogramm antritt, war noch nicht zwingend in Tokio zu rechnen. Aber, couragiert wie sie nun mal ist, hat sie die Chance erkannt, gepackt und nicht wieder losgelassen. Zugute kam ihr, dass erstmals eine Nation zwei Starter pro Gewichtsklasse zu einer WM schicken kann. Luise Malzahn bekam den Platz neben der früheren Hallenserin Heide Wollert. "Sie hat als einzige Juniorin gleich den Sprung in das Nationalteam geschafft", erklärt ihr Trainer.

Ehrfurcht vor dem Weltmeisterschafts-Debüt, dazu noch im Mutterland des Judo, kennt sie nicht: "Ich bin in diesem Jahr einige Male gegen die Weltbesten angetreten. Die Weltmeisterschaft ist für mich ein Turnier wie die vorherigen, hat nur einen anderen Namen. Ich beschäftige mich nicht damit, ob ich in Tokio Lehrgeld zahlen muss oder nicht."

Keine Angst vor großen Tieren. Die Unbekümmertheit der Luise Malzahn ist auch Verdienst der älteren Schwester. Sie hat sie an die Hand genommen, ohne das so zu sagen. Bei den wichtigsten Wettkämpfen haben sie stets ein Hotelzimmer zusammen bewohnt. Die Jüngere profitiert von ihrer Erfahrung. "Sie sucht meinen Rat, den ich ihr nicht als ihre Oberlehrerin gebe. Das käme bei Luise sowieso nicht gut an. Wir mögen uns und reden über alles", sagt Claudia Malzahn. "Außerdem ist das keine einseitige Angelegenheit. Auch ich kann mir von Luise einiges abschauen, von ihrem unbändigem Siegeswillen, ihrer klaren Einstellung zu den Dingen auch außerhalb unseres Sports."

So ziehen die Schwestern aus Halle hinaus, die Judo-Welt zu erobern. In unterschiedlichen Klassen. Doch das Gewicht ist vielleicht noch der geringste Unterschied zwischen ihnen.