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Judo Judo: Die Polizistin auf der Matte

Von PETRA SZAG 20.04.2010, 20:50

HALLE/MZ. - Der Ton ist freundlich, und trotzdem resolut. "Allgemeine Verkehrskontrolle, ihre Fahrzeugpapiere und den Führerschein bitte." Luise Malzahn weiß gar nicht, wie oft sie diesen Satz in den letzten Wochen gesagt hat. Sie ist angehende Polizeibeamtin, zurzeit macht sie Station bei der Magdeburger Landesbereitschaftspolizei.

In dieser Woche aber steht kurzzeitig ein anderer Dienstauftrag auf dem Programm. Die 19-jährige Hallenserin kämpft bei den Judo-Europameisterschaften in Wien. Dienstauftrag deshalb, weil das Land Sachsen-Anhalt und die Polizeifachhochschule in Aschersleben mit einem neuen Förder-Konzept erstmals auch Leistungssportler versuchen einzubinden. So gesehen hat Malzahns Abschneiden einen gewissen Pilot-Charakter. Und das im doppelten Sinne.

Wien ist für die Dritte der letzten U-20-WM nämlich nicht nur die erste Meisterschaft als Berufstätige. "Es ist auch meine erste große Meisterschaft bei den Frauen", sagt sie. Es klingt Stolz aus ihrer Stimme. Denn der Wechsel von den Junioren zur Elite gelingt ihr offenbar nahtlos. Wenn auch nicht immer reibungslos. Und das hat natürlich mit ihrer Ausbildung zu tun.

Luise Malzahn strebt eine Laufbahn als Kommissarin im gehobenen Dienst an. Zusammen mit 72 Kommilitonen hat sie im September die drei Jahre Studium in Angriff genommen. Neben ihr sind mit Halles Ruderer Chris Hajek und dem Magdeburger Leichtathleten Ronny Heck zwei weitere Nachwuchsathleten dabei.

Bereut hat Luise Malzahn ihre Berufswahl nicht. "Die Ausbildung ist genau das, was ich mir erhofft habe und macht deshalb auch großen Spaß", sagt sie. Allerdings vermisse sie noch die für Leistungssportler unverzichtbaren langfristigen Konzepte. Freistellungen, Trainingslager und Wettkampfreisen klappten zwar problemlos, keine Frage. Aber es gebe keine Angebote, den versäumten Stoff aufzuarbeiten. "Und es fehlt gerade in der Praxisausbildung ein Ansprechpartner mit einem offenen Ohr für uns Leistungssportler", sagt Luise Malzahn.

Die Judokämpferin ist zuversichtlich, dass sich alles noch einspielen wird. "Wir sind schließlich die Ersten, die das Studium absolvieren, also eine Art Testlauf."

Eigeninitiative und Improvisationsvermögen sind also gefragt - Stärken, die Spitzensportler ohnehin eigen sein sollten. Und wenn das nicht ausreicht? "Dann muss ich eben ein Urlaubssemester nehmen", sagt die Judoka. Denn bei der Vorbereitung auf Olympia 2012 in London lässt sie keine Kompromisse zu. "Man muss 100 Prozent geben im Studium und im Sport. Wenn das nicht geht, bleibt man auf der Strecke. Und das will ich nicht."

Bei den Spielen 2012 in London will die Hallenserin die deutschen Farben im Limit bis 78 Kilogramm vertreten. Eine harte Aufgabe, da nur ein Starter pro Nation und Gewichtsklasse zugelassen ist. Sie muss dafür unter anderem Europameisterin Heide Wollert aus dem Aufgebot verdrängen. Ihre einstige Vereinsgefährtin, die vor gut einem Jahr den SV Halle Richtung Leipzig verlassen hat, "hat mir noch einiges voraus. Vor allem an Erfahrung", sagt Luise Malzahn.

Am Samstag hat sie nun die Chance, gegen hochkarätige Konkurrenz Wettkampfpraxis auf internationaler Bühne zu sammeln. Bei den Europameisterschaften ist Heide Wollert nicht dabei, weil sie sich auf die Weltmeisterschaften im September in Japan konzentriert.

Da hat Luise Malzahn ihr Studium schon wieder in Beschlag genommen. Nach der Verkehrsausbildung in Magdeburg folgt der Revierdienst in Halle. Zumindest fallen da die langen Anfahrtswege weg. Die Trainingshalle ist praktisch um die Ecke.