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Herbsttrip Herbsttrip: Immer am Band lang

Von BEATE BAUM 01.10.2009, 16:49

Halle/MZ. - "100 Jahre lang, von 1894 bis 1994, wurde hier Material und fertiges Papier mit einer Pferdebahn transportiert. Von der Zellstofffabrik in Blankenstein zur Mühle in Blankenberg und retour", erklärt Alexandra Triebel. "Zu DDR-Zeiten unter scharfer Bewachung." Die junge Wander- und Naturführerin hat noch Kindheitserinnerungen an das Leben im äußersten Süden Thüringens, als der Norden Bayerns, vis-à-vis der Saale, so fern war wie der Mond.

Auf 13 Wanderwegen und drei Radrouten können Besucher heute das "Grüne Band" der ehemaligen Grenze im Südosten Deutschlands entdecken. Der rund 120 Kilometer messende Abschnitt zwischen Stockheim und Mödlareuth ist Teil der fast 1 400 Kilometer langen, ehemaligen innerdeutschen Grenze. Die beiden anderen Modellgebiete auf diesem Grünstreifen liegen im Gebiet Elbe-Altmark-Wendland und im Harz.

Bei Sonneberg wurden alte Schmuggelpfade, auf denen in den 40er und 50er Jahren Menschen nach Bayern flohen, reaktiviert. Sie werden auf nächtlichen Führungen erlebbar. Viele Strecken lassen sich auch auf eigene Faust erforschen, geleitet durch Touren-Broschüren. Vier Wanderstrecken sind mit Hörstationen ausgestattet, an denen Informationen zu Sehenswürdigkeiten, aber auch Zeitzeugen-Berichte abrufbar sind.

20 Jahre nach der Grenzöffnung soll der Landstrich so als Urlaubsregion erlebbar werden - behutsam, immer im Bewusstsein der Geschichte, die sich hier ereignete, sowie der wertvollen Natur, die sich in der ungenutzten Fläche entfalten konnte. Eine Kette von einzigartigen Biotopen hat sich im zwischen 50 und 200 Meter breiten ehemaligen Todesstreifen gebildet. Auch links und rechts davon behielt die Natur die Oberhand. Im Thüringer Wald, Thüringer Schiefergebirge und im Frankenwald brüten Schwarzstörche und Uhus; die vielen Bäche sorgen für wertvolle Wiesenflächen, auf denen sich seltene Falter tummeln. Die gesamte Region hat den Charakter eines abgeschiedenen Refugiums mitten im Hier und Jetzt.

Das gilt auch für die Ortschaften: Die Stadt Kronach vermittelt noch immer den Charakter einer Burg aus ferner Zeit. Untere und Obere Stadt sind in Ringen um die gigantische Festung Rosenberg angelegt und ergeben mit ihr ein hoch aufragendes Ganzes, das den heutigen Besucher friedlich bezwingt: durch herrlich restaurierte Straßenzüge sowie die Stadtmauer mit ihren Toren, durch die imponierende Burganlage mit ihren Kasematten, durch Gemälde vom Sohn der Stadt Lucas Cranach d. Ä. in der Fränkischen Galerie und nicht zuletzt mit guter Küche samt lokalen Bieren zu durchweg günstigen Preisen.

Ein angenehmes Detail, das den Aufenthalt in der Region zum Genuss macht. Wobei sich nicht nur die deftige warme Küche schmecken lassen kann: Im Örtchen Lauenstein gibt es gleich zwei Weltklasse-Confiserien, deren Pralinen jeden dahinschmelzen lassen. Wer mag, kann diese kulinarischen Kostbarkeiten auf edlem Porzellan anrichten, denn auch das hat hier Tradition - in Tettau, einem an drei Seiten von der nur 500 bis 800 Meter entfernten Grenze eingefassten Ort. In der königlich privilegierten Porzellanfabrik wurde während der deutschen Teilung unbeirrt weiter produziert. Was sind schon 40 Jahre angesichts einer über 200-jährigen Firmengeschichte?

Viele Menschen im thüringischen Heinersdorf konnte die Grenze nicht so kalt lassen - weil Verwandte oder Freunde im nahen, fränkischen Welitsch lebten, und sie selbst es noch als Gnade ansehen mussten, wenn sie keiner der Zwangsumsiedlungen zum Opfer fielen. "Es hieß ja: Du musst nicht im Sperrgebiet leben, du darfst", erzählt Erich Eckard, der mit Georg Konrad aus Welitsch eine kleine Gedenkstätte betreibt, in der man den Wahnsinn, in den die Trennung zwei Mini-Dörfer stürzte, aber auch den Freudentaumel 1989 nachvollziehen kann.

Ein Stück der Mauer, die diese zwei Dörfer trennte, steht noch, eindrucksvoller allerdings ist ein Blick auf die erhaltenen Grenzanlagen in Mödlareuth - von den Amerikanern "Little Berlin" genannt, weil hier ebenso wie in der Großstadt die Trennung mitten durch den Ort ging, der nie mehr als 60 Einwohner hatte.

Genug Historie? Dann ist Entspannung angesagt: Sowohl Bad Steben auf fränkischer als auch Bad Lobenstein auf Thüringer Seite locken mit grenzenlosem Wohlfühlen bei Massagen, im Moorbad, in diversen Saunen und Schwimmbädern, für die dieser Ausdruck viel zu profan ist.

Informationen im Internet unter: www.erlebnisgruenesband.de