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Griechenland Griechenland: Verborgene Schönheiten und Schätze

Von Carina Frey 02.03.2006, 10:17
Blick hinter die Kulissen: Ein Bummel durch die verwinkelten Gässchen zeigt ein ganz anderes Leben in Rhodos-Stadt, als es die Touristen an den Souvenirständen und Urlauberbars erleben. (Foto: dpa)
Blick hinter die Kulissen: Ein Bummel durch die verwinkelten Gässchen zeigt ein ganz anderes Leben in Rhodos-Stadt, als es die Touristen an den Souvenirständen und Urlauberbars erleben. (Foto: dpa) Carina Frey

Rhodos/dpa. - Die Luft ist modrig und feucht in dem Raum, derauf den ersten Blick wie eine in den Fels gehauene Höhle aussieht.Nur die Vertiefungen in den Wänden lassen erahnen, wofür die mittenin Rhodos-Stadt gelegenen Stätten früher einmal gedient haben: Essind Gräber. «Wo immer in Rhodos gegraben wird, findet man antikeÜberreste», sagt der Archäologe Michael Triantafillou. Da es so vielevon ihnen gibt, werden die Katakomben derzeit nicht erforscht. Sicherist nur, dass sie weit verzweigt und einige Grabstätten vollständigerhalten sind. Und so bekommen die Nischen der Höhlen auf den zweitenBlick eine neue Bedeutung, die Besucher leicht erschauern lässt.

Es lohnt sich, auf Rhodos genau hinzuschauen; vorbeizublicken anden Tausend-Betten-Hotels, die sich an der Ostküste breit machen,vorbei an den Busladungen voll Touristen und den obligatorischenSouvenirläden, Gyros-Buden und Cocktailbars mit ihren bunt bemaltenSäulen aus Gips. Der zweite Blick zeigt kleine Schätze: verwinkelteGässchen, in denen nur ein abgestelltes Moped zeigt, dass die Zeithier nicht in früheren Jahrhunderten stehen geblieben ist; Innenhöfemit kunstvoll gelegten Bodenmosaiken; oder wilden Oregano, der ausFelsritzen sprießt.

Wer den Touristenmassen entfliehen möchte, findet auf der Inselkleine Oasen. Ulla Poporou verkauft Tickets am Einlass des Hamams,des städtischen Bades in Rhodos-Altstadt. Zu einer Zeit, als ihrGesicht noch keine Falten hatte, heiratete die Dänin einen Griechen.«Ich vermisse nur den Schnee», sagt sie. Auf Rhodos scheint an rund300 Tagen im Jahr die Sonne. Von Mai bis Ende Oktober läuft dieSaison. Voll wird es vor allem im Juli und August, wenn dasThermometer bis auf über 40 Grad klettert und die Badegäste zu denStränden eilen.

Ins Hamam kommen jedoch nur wenige Besucher. Dort, unter einerKuppel mit Sternenfenstern, durch die Sonnenstrahlen einfallen,dringen die Stimmen von draußen gedämpft herein. Gelegentlich fälltein Wassertropfen auf den Marmorboden und hallt leise nach. Das Hamamwurde bereits im Jahr 1558 errichtet und hat sich seitdem nur wenigverändert. An den Wänden des großen Baderaums hängen Marmorbecken.Abwechselnd können sich die Badenden kaltes und warmes Wasser überden Körper gießen, so wie es hier einst die Türken taten, die fast400 Jahre lang auf der Insel herrschten.

Die Moscheen in der Altstadt sind Zeugen dieser Zeit. Das Minarettder Suleiman Moschee, nur wenige Straßen vom Städtischen Badentfernt, ragt rund 30 Meter gen Himmel. Es ist in etwa so hoch, wieder einst als Weltwunder berühmt gewordene Koloss von Rhodos und gibteine Idee davon, wie die Statue einst über die Stadt gethront habenmuss, bevor sie 227 vor Christus bei einem Erdbeben einstürzte.

Wo einst die antike Stadt lag, stehen heute mittelalterlicheHäuser, eingerahmt von einer vier Kilometer langen Stadtmauer. DieBefestigungsanlage wurde im 13. Jahrhundert von den Byzantinernerrichtet und später von den Rittern des Johanniterordens bis auf 14Meter Breite verstärkt. Doch auch die dickste Mauer konnte denEinfall der Türken 1523 nicht verhindern. Später kamen Italiener,Deutsche und Briten, bevor 1948 die Griechen die Insel übernahmen.Trotz dieser bewegten Geschichte ist die Altstadt fast vollständigerhalten geblieben.

Zu den Hauptsehenswürdigkeiten gehört die Ritterstraße mit denprachtvollen Herbergen der Johanniter und dem Großmeisterpalast, denItaliens Duce Mussolini viel zu groß nachbauen ließ. Abseits davonsind die Gassen leer. Wein rankt über steinerne Streben, die dieHäuser wie Torbögen verbinden und als traditioneller Erdbebenschutzdienen. Gelegentlich erlaubt ein geöffnetes Fenster einen Blick inWohnungen, in denen einige alte Rhodier noch wie in früheren Zeitenleben: in einem einzelnen Raum mit dem auf einem Podest gebautemBett, um möglichst viel Platz für Habseligkeiten zu schaffen.

«In diesen Häusern lebten früher bis zu acht Personen», erzähltArtemis Kakkiou. Nur ein Vorhang schützte die Privatsphäre der Elternvor den Blicken ihrer Kinder. Kakkiou führt durch ein traditionellesHaus im alten Ortskern von Kóskinou, das heute ein Museum ist. DasDorf, neun Kilometer südlich von Rhodos gelegen, hat im Zentrumseinen ursprünglichen Charme bewahrt und steht heute zum Teil unterDenkmalschutz. Trotzdem bleiben die Touristenbusse weitgehend fern,und so lässt es sich ungestört durch die Gässchen schlendern. BunteTüren zieren die Häuser, und so mancher, dem das nicht reichte, maltegleich sein ganzes Haus in leuchtenden Farben an.

Wenige Schritte von dem historischen Haus entfernt, backt SofiaMoskou Hochzeitskuchen. Zu jeder Hochzeit wird die Leckerei ausHonig, Sesam und Orangenschalen an die Gäste verschenkt. «Das Lebendes Paares soll so süß sein wie der Honig», erklärt sie. Doch währendfrüher die Frauen zu Hause gemeinsam die Küchlein backten, ist dieseTradition heute verloren gegangen - eine Marktlücke für Sofia Moskou,die seither tagein, tagaus tausende Hochzeitskuchen backt.

Tradition wird auch bei Michalis und Dimitris Mavrikos großgeschrieben. Die Brüder kochen in ihrem Restaurant nach Rezepten derGroßmutter: Soupioriso zum Beispiel, Risotto mit Sepiatinte, eintraditionelles Gericht in Lindos. Lindos liegt im Südosten von Rhodosund war in der Antike neben Ialyssós und Kamirós der dritteStadtstaat der Insel und ein bedeutender Seehafen. Die meisten derkubisch geformten weißen Häuser, die sich an den Berg anschmiegen,stammen aus dem 17. Jahrhundert und wurden von wohlhabenden Reedernaufwendig gestaltet. Neue Gebäude dürfen nur im traditionellen Stilerrichtet werden, und so gehört Lindos zu den schönsten Inseldörfern.

Hoch oben über den Wohnhäusern erhebt sich, durch mittelalterlicheRitterbauten eingefasst, die Akropolis mit dem Athenetempel. Hierdrängen sich die Besucher hinauf, entweder auf dem Rücken eines Eselsoder zu Fuß, vorbei an überladenen Souvenirständen. Den Touristenhier auszuweichen ist nur früh am Morgen und spät abends möglich.Doch der Aufstieg lohnt, schon allein wegen des Blickes auf dastürkisblaue Wasser. Zu Linken liegt die Bucht von Lindos, rechts dieApostel-Paulus-Bucht, in der - so erzählt es die Legende - derApostel im Jahr 51 nach Christus gelandet sein soll.

Doch auch im Gedränge von Lindos gibt es ruhige Stellen. ZumBeispiel unter der Kuppe des riesigen Baums, der mitten im Restaurantder Mavriko-Brüder wächst. Abseits von Souvláki und Pommes Fritesservieren sie die Mezédes genannten traditionellen griechischenVorspeisen. Kleine Gerichte werden auf den Tisch gestellt:eingelegter Feta, knusprig gebackenes Brot mit Olivenöl undMeeresfrüchtesalat. Immer wieder kommen neue Teller hinzu und werdenleer gegessene abgeräumt, bis der Gast dankend abwinkt. Dimitrilernte als Koch in Italien, Michalis hat in London Ökonomie studiert,um anschließend in das Restaurant nach Lindos zurückzukehren: «Weildas mein Leben ist. Das, wofür ich geboren bin.»

Ganz ähnlich drückt sich Lakis Chatzi-Vasiliou aus. Der Reitlehrersteht auf seinen Hof, der rund zehn Kilometer südlich vonRhodos-Stadt liegt. Dort hat er neben einem großen Reitplatz aucheinen runden Parcours gebaut, in dessen Mitte ebenfalls einOlivenbaum steht. Mehreren seiner 20 Pferde hat Lakis selbst auf dieWelt geholfen. Einen Veterinär gibt es auf Rhodos nicht, sagt er.

Lakis reitet mit seinen Gästen ins Gelände, je nach Können auf denbreiteren Straßen oder auf einsamen Pfaden zum Strand hinab. Hier imLandesinneren ist es auch im trockenen Sommer erstaunlich grün. Nichtohne Grund ist Rhodos für seine Vegetation berühmt. Viele Quellenversorgen die Aleppokiefern, Platanen, Kastanien und Olivenbäume.Letztere sind - so wird erzählt - oft viele hundert Jahre alt.

Die Fahrt vom Mandráki-Hafen in Rhodos-Stadt bis zu Lakis' Hofdauert mit dem Auto rund zehn Minuten. Trotzdem kommen nur wenigeTouristen vorbei. Dafür liegt der Hof zu sehr abseits und ist nichtauf den ersten Blick zu erkennen. Doch es lohnt sich, den Weg zusuchen - wie es sich oft lohnt auf Rhodos, rechts und links derausgetrampelten Touristenpfade ein zweites Mal hinzuschauen.