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Bulimie Bulimie: Wenn Essen zur heimlichen Droge wird

Von Juliane Lüthy 12.06.2001, 10:22

Wittenberg/MZ. - Wer will schon aussehen wie der kurvenreiche Serienstar Roseanne, wenn alle Welt nur auf extrem schlanke Schönheiten wie Johnny Depp-Freundin Vanessa Paradis oder Supermodel Naomi Campell schaut. Dem Schönheitsideal der heutigen Zeit entspricht nun mal nur, wer dünn ist. Viele Frauen haben das Gefühl, auch so aussehen zu müssen, um akzeptiert zu werden. Sie hören auf zu essen. Der Weg in die Ess-Störung ist vorprogrammiert. Bei der 18-jährigen Silvana aus Wittenberg (Name von der Redaktion geändert) ist das allerdings nicht so einfach zu erklären. Sie ist nicht magersüchtig, wie die meisten, die dem Schönheitsideal hinterher eifern. Sie hat Bulimie, oder besser - sie hatte Bulimie.

Doch wer einmal bulimisch veranlagt ist, wird das so schnell nicht los. Silvana wurde aus anderen Gründen krank, Gründe, die tiefer verwurzelt sind. Angefangen hat alles in der achten Klasse, damals war Silvana vierzehn. Da war es nur Neugier. "Du kotzt das jetzt einfach mal aus", dachte sich Silvana damals. Seitdem behielt sie ihr Essen immer seltener im Magen. Anfangs konnte sie es noch verheimlichen, denn wie man schauspielert, lernte die 18-Jährige. Doch irgendwann wurde sie dann immer dünner, und sie erbrach sich nicht nur nach jeder Mahlzeit, sondern plante regelrechte Fress-Attacken, die bis zu 50 Mark kosten konnten.

"Im Laufe meiner Krankheit gingen mit Sicherheit mehrere tausend Mark für Essen drauf", gesteht Silvana. Im Laufe der Zeit hungerte, beziehungsweise kotzte sich Silvana bis auf 42 Kilo runter. Als die Eltern dann mal Wind von der Krankheit ihrer Tochter bekamen, waren sie geschockt. "Es hat sie stark mitgenommen", weiß Silvana heute. Doch ihr war das völlig egal. Für sie war ihre Krankheit wie eine Droge, die sie zum Leben brauchte. Irgendwann kam sie aber an einen Punkt, an dem sie sich nicht mehr im Spiegel sehen konnte. Sie hatte ihren Tanzstunden-Abschlussball und wog mittlerweile nur noch 32 Kilo. Sie fühlte sich nicht mehr wohl in ihrer Haut und entschloss sich zu einer Therapie. Silvana ging für fünf Monate nach Halle in eine Klinik, um sich dort von ihrer Krankheit heilen zu lassen.

"Doch diese Therapie brachte im Endeffekt gar nichts, denn dort wurden mir zu viele Vorschriften gemacht", sagt Silvana. "Mir wurde vorgeschrieben, wie viel ich zu essen habe, da war es schon fast klar, dass ich mich wieder übergebe." Besser erging es ihr dann bei ihrer zweiten Therapie in Berlin. Dort erfuhr sie auch den wahren Grund für ihre Bulimie, der wahrscheinlich in einer Vergewaltigung im Alter von fünf Jahren liegt. In Berlin konnte sie selbst entscheiden, wie viel sie isst, Hauptsache sie nahm zu. Somit konnte sich ihr Magen langsam an die Umstellung gewöhnen. Auch die "Spiegeltherapie" war für Silvana sehr hilfreich.

"Da musste ich mich im Slip vor einen Spiegel stellen und mich beschreiben." Und dies ohne die Worte "dick" und "dünn" zu verwenden. Sie besuchte Gruppen- und Einzeltherapien, aber auch Sport, Kreativität und Schule standen auf dem Programm. Heute ist Silvana wieder zufrieden mit sich, sie wiegt 50 Kilo und hat die Bulimie fast überwunden. "Ab und zu habe ich noch mal bulimische Anfälle, wenn ich Probleme habe, aber oft kommt das nicht mehr vor", erzählt sie und ist sicher: "Ohne die Therapie in Berlin hätte ich das wahrscheinlich nicht geschafft." Die Unterstützung von Ärzten und Psychologen sei unerlässlich. Laut Silvana sind sie die Einzigen, die wirklich verstehen können, was man durchmacht.