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Benefizkonzert Benefizkonzert: Rocknacht für die Newcomer

Von Matthias Gabriel 17.06.2001, 15:22

Dessau/MZ/mg. - Der junge Mann auf der Bühne zeigt alles. Nicht nur seine bloße Brust, die unter dem geöffneten Hemd und dem Sakko zu sehen ist, wenn er sie dem Publikum entgegenstreckt. Seinen Platz hinter dem Keyboard wechselt er mit dem hinter dem Mikrofon, läuft durchs Publikum, um wieder auf die Bühne zu steigen. Er hüpft, springt und singt. Björn Hein, agiler Frontmann der Dessauer Nachwuchsband "Simple Sing", hat mit seiner Partnerin die Aufgabe, die Stimmung im Haus "Kreuzer" am Freitagabend anzuheizen. "Ich bin der jüngste Musiker heute Abend hier", ruft Hein seinen Zuhörern zu. Nicht nur das - er ist einer der Jüngsten im "Kreuzer" überhaupt. Fast alle anderen sind in den Vierzigern und könnten seine Eltern sein. Trotzdem fühlt sich niemand fehl am Platz. Auch wenn der Tatort des musikalischen Ereignisses kurzfristig in den Jugendklub verlegt werden musste. "Old Stars for Newcomer": Das meinte am Freitag Abend, dass sich Dessauer Bands noch einmal auf die Bühne stellen, um ihren Fans alte Zeiten zurück zu bringen - und den Newcomern der Dessauer Musikschule ein wenig Geld.

Denn: "Es gibt keine handgemachte Musik in Dessau mehr", stellt Organisator Thomas Passek zu Beginn des Benefizkonzertes fest. Deshalb wolle man die Musikschüler mit den Eintrittsgeldern unterstützen. Allerdings nur die, die sich zu potenziellen Rockmusikern ausbilden lassen: Gitarristen und Schlagzeuger etwa. Die Violinenspieler müssten sich leider einen anderen Sponsor suchen. Die knapp 100 Konzertbesucher brachten nach Angaben Passeks etwa 800 Mark zusammen. Nach den Newcomern von "Simple Sing" wurde der "Stier" losgelassen. Nicht mehr ganz so wild wie sein junger Kollege Hein, aber immer noch der Alte, coverte Wolfgang Bindernagel die Altmeister handgemachter Musik. Bindernagel sang unter anderem Lieder von Neil Young und Bruce Springsteen, wobei er in einer Art One-Man-Show beinahe gleichzeitig Keyboard, Mundharmonika und E-Gitarre spielte.

Den richtigen Elan vermochte aber erst die darauf folgende Gruppe ins Publikum zu bringen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt gönnten sich Musiker und Fans einen gehörigen Abstand. Einzig glatzköpfige Väter wagten sich mit ihren teuren Digitalkameras an die Bühne heran. Die Anderen warteten mit verschränkten Armen. Manche erklärten ihren mitgebrachten Söhnen was auf der Bühne gerade passiert. Die wenigen Jugendlichen, die allein gekommen waren, schauten zuweilen ein wenig ratlos. Mit der Gruppe "Elan" kam schließlich das Leuchten in die Gesichter und das Zucken in die Beine der Mitvierziger. Das Familienfest war perfekt. Die Band um die Frontfrau Heike Borchardt hatte sichtlich Spaß. Auch weil sich das Publikum endlich in Bewegung setzte. Selbst die Kamera-Assistentin von TV Dessau tanzte auf der Galerie. Gerhard Kniep ("Kniepi"), Peter Arndt, Hans-Jürgen Stemmler ("Semmel") unterstützt durch Jim Knuth ließen schon vergessen geglaubte Erinnerungen Revue passieren.

"Wir waren vor dem Konzert richtig aufgeregt, weil wir nach so langer Zeit endlich wieder zusammen Musik machen konnten", erklärte ein Musiker seine Freude. Schließlich hatte es die "jüngste Band der DDR" danach nicht mehr schwer. "Albatros" flog förmlich auf einer Welle guter Laune. "Ich will heute Abend einfach eine gute Party feiern", hatte Sänger Thomas Passek vor dem Konzert gesagt. Sein Wunsch sollte sich erfüllen. Die Väter und Söhne, die Mütter und Töchter feierten bis in den frühen Morgen hinein. Bis halb vier Uhr wurde zusammen gejammt. "Die Stimmung und die Musik sind toll. Ich finde die Bands richtig gut", war die einhellige Meinung, wie sie ein begeisterter Fan formulierte. "Solche Abende müsste es viel öfter geben." Wird es. Im September, spätestens im Oktober soll es im "Hangar" eine Neuauflage des Familientreffens geben, kündigte Passek an.