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Bayern Bayern: Glühweinduft in Tölz

Von Margit Boeckh 30.11.2006, 21:26

Halle/MZ. - Ein nostalgisches Dampfkarussell dreht seine Runden. Es duftet nach Bratäpfeln und heißen Maroni, frisch gebackenen Plätzchen und Punsch. Ja, das muss man den Tölzern lassen, ihren Christkindlmarkt, den haben sie auch dieses Jahr wieder sauber hingekriegt, wie es auf gut Bayerisch heißt.

Die sanft ansteigende Markstraße gilt ohnehin als "gute Stube" des bayerischen Oberlandes. Und außerdem fühlt sich in der prächtig bemalten und giebelverzierten Häuserlandschaft gewissermaßen ganz Fernsehdeutschland zu Hause. Für das populäre weißblaue Marketing sorgt schließlich schwergewichtig der "Bulle von Tölz" mit der gleichnamigen Krimiserie seit nunmehr schon einem Dutzend Jahren.

Doch alljährlich in der Adventszeit liefert die Straße mit ihren historischen Bürgerhäusern den romantischen Hintergrund für eine Szenerie, die dem landläufigen Punsch- und Pommes-Budenzauber mit ganz Eigenem, Unverwechselbaren zu begegnen sucht. "Wir wollen keinen Kitschmarkt", stellt denn auch Jürgen Spiekermann klar. "Aktive Tölzer" nennt sich die Gemeinschaft engagierter Bürger und Kaufleute, deren Vorsitzender er ist. Sie haben den Christkindlmarkt in dieser Form vor fast 15 Jahren ins Leben gerufen und achten darauf, dass er dieses ursprüngliche Gesicht behält, das seinen Reiz ausmacht. Der wird betont von dem geprägt, was die Region zu bieten hat. Und die steht bekanntlich für eine genussvoll-gemütliche Lebensart. So urwüchsig wie traditionsverbunden und sinnenfroh, dass selbst die eher als zugeknöpft geltenden "Preiß'n" (und als solche gilt hier jeder von jenseits des Weißwurst-Äquators) nur allzu gerne in diesen deftigen Bajuwaren-Charme eintauchen. Wobei der duftende, strahlende Tölzer Christkindlmarkt ohne Zweifel besonders anheimelnde Gelegenheit dazu bietet.

So trifft man denn beim gemütlichen Bummel von Stand zu Stand etwa auf einen Schokolatier, der nach alter Tradition Nikoläusen ihre Form gibt. Ein Kerzengießer hantiert mit Wachs und Dochten. Holzschnitzer zaubern zarte Krippenfiguren. Andere Stände bieten zarte Porzellanpuppen, Handgestricktes, Köstliches und auch Kunsthandwerkliche aus den umliegenden Klöstern, Schnitzereien aus Horn, natürlich auch Weihnachtsengel und Christbaumkugeln die Menge.

Kurzum: So ein Tölzer Christkindlmarkt-Bummel kann sich ganz schön hinziehen. Da empfiehlt sich zwischendurch mal ein kleiner Verschnaufer. Im traditionsreichen Café Schuler etwa, auf halber Höhe der Marktstraße. Hier ist alles so handgemacht und frisch wie die Schlagsahne. Echt und unverfälscht eben. Ein Merkmal, mit dem die Tölzer überhaupt zu punkten suchen bei Urlaubern und Kurgästen, die genau das zu schätzen wissen. Sagt jedenfalls Kurdirektor Klaus Pelikan. Wie andernorts ist natürlich auch Tölz betroffen vom Schwund der herkömmlichen Kassen-Kurpatienten als Folge der Gesundheitsreform. So setzt der heilklimatische Kurort denn zwar weiterhin auf die heilsame Wirkung des Moores vor allem auch für "Kurlauber". Doch sollen etwa verstärkt Pakete Marke "Wellness und Beauty" noch mehr Gäste anziehen.

"Eigentlich kann man bei uns alles machen, was Leib und Seele gut tut", ist sich der Kur-Chef sicher und erzählt begeistert ein paar der vielfältigen Möglichkeiten für Sport, Freizeit und Unterhaltung auf. Vom großzügigen Erlebnisbad Alpamare, in dem man in einer speziellen Anlage sogar surfen kann, über die Sesselbahn, die auf den Blomberg führt, zwei Golfplätze, die drei reizvollen Fahrrad-Fernwege (Isar-Radweg, Königsee-Bodensee und Bavarica-Tirolensis), die sich hier kreuzen, und das dichte Netz an Wanderwegen - die kann man auch im Winter gefahrlos nutzen, weil sie geräumt werden. Bei Eis und Schnee locken zudem rund 75 Kilometer Loipen, das liebliche Voralpenland schwungvoll, doch nicht allzu anstrengend auf Langlaufskiern zu erkunden. Dazu Rodeln, Schlittschuhlaufen, Eisstockschießen oder ein Drachenflug vom Berg in die schneebedeckte Weite.

Wer in Tölz auf kulturelle Entdeckungen gehen will, der wird ohne weiteres auch fündig. Weithin berühmt ist der Tölzer Knabenchor, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert und in verschiedenen Gruppierungen weltweit auf Konzertpodien und Opernbühnen auftritt, und regelmäßig auch im Kursaal von Tölz. Lohnend ist in den Wochen vor Weihnachten auch ein Besuch im Tölzer Marionettentheater, wo Stücke wie "Der Nussknacker" oder die "Heilige Nacht" des Bayerndichters Ludwig Thoma auf dem Spielplan stehen.

Für Literaturfreunde zahlt sich ein Spaziergang an den Rand des Städtchens aus, wo auf einer Anhöhe mit herrlichem Panoramablick auf den Ort und die Alpen ein Anwesen liegt, das es zu literarischem Weltruhm gebracht hat: die Villa Thomas Mann. Verewigt in mehreren Büchern, war die "Sommerfrische" auch der Ort, in dem der Nobelpreisträger in ländlicher Abgeschiedenheit an bedeutenden Werken arbeitete, am "Zauberberg", dem "Felix Krull" und der Novelle "Tod in Venedig".

Seit Jahrzehnten haben die Nonnen vom Orden der Armen Schulschwestern, der das Haus nach dem Verkauf durch Thomas Mann von der Stadt Tölz erwarb, hier ihren behaglichen Alterssitz. Von Fall zu Fall gewähren sie freundlich Zutritt für Gäste, die sich das berühmte Anwesen einmal näher anschauen wollen. Und geben einen Geheimtipp zum Thema gegenständlicher Weltliteratur: eine unscheinbare Pyramide aus Feldsteinen am Waldrand. Errichtet für Thomas Manns treuen vierbeinigen Gefährten Bauschan, dem er in der Novelle "Herr und Hund" ein literarisches Denkmal setzte.