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Abenteuer Abenteuer: Rendezvous auf Kufen

Von MARTINA JUNGMANN 19.02.2010, 18:00

Halle/MZ. - Fenrir steht und schaut mich über die Schulter fast fragend aus seinen eisblauen Augen an. Nanu nutzt die Gelegenheit des Stopps und wälzt sich genüsslich in dem unberührten Schnee. Ich rufe wieder: "Gee, komm schon, Fenrir! Gee!" Meine Stimme überschlägt sich fast, ob der ungewohnten Lautstärke, mit der ich nun fordernder die soeben erlernten Befehle rufe. Plötzlich ruckt das Schlittenhund-Gespann an und der Leithund Fenrir zieht den Schlitten nach rechts. Genau so, wie ich es wollte.

Beeindruckend! Obwohl ich die Hunde erst vor einer reichlichen Stunde kennengelernt habe, gelingt es mir, die Kommandos so zu rufen, dass die fünf Alaskan Malamuten und der Siberian Husky den Schlitten durch die Spur ziehen. Von hinten kommt Andi schwer atmend angestapft und grinst breit. Er tritt auf die Kufen des Schlittens, auf denen wir beide bequem hintereinander stehen können. "Weiter so, weiter. Das machst Du prima!", stößt er hervor. Andi gehören die sechs Schlittenhunde und er zeigt, wie man ein Gespann fährt. Am Ende des Tages sollen wir unser "Musher-Diplom" in den Händen halten.

Am Morgen, bevor wir uns auf die weite Reise ins Allgäu gemacht haben, hatte ich noch meine Zweifel, wie man das in so kurzer Zeit erlernen soll. Doch nun, wo ich mich hier zu halten versuche, und bei jeder Kurve neben den lauten Rufen auch noch das Gleichgewicht balancierend wechselseitig auf den Kufen turne, da beginne ich zu begreifen, was die Faszination dieses Sports ausmacht. Letztlich sind es die Hunde, allen voran Fenrir, die mir zeigen, wer hier das eigentliche Sagen hat. Und sie machen es mir leicht, weil sie laufen und den Schlitten ziehen wollen, und zwar lieber in der präparierten Spur und nicht durch den tiefen, weichen Schnee.

Andreas Lindner, wie Andi bürgerlich heißt, hat mit dem Motorschlitten die Spur vorbereitet, die neben den tieferen, breiten Wegen von schwerem landwirtschaftlichen Gerät liegt. So gleitet der Schlitten mal gleichmäßig weich und mal ruckelig holpernd durch die weite Landschaft. Wäre da nicht ab und zu das Knattern des Motorschlittens und die darauf sitzende Filmcrew des MDR-Fernsehens, könnte man träumen, man wäre in den unendlichen Weiten des hohen Nordens unterwegs.

Balvenie, Cäsar, Nanu, Nanook, Nana und Fenrir heißen sie, die lauffreudigen und scheinbar unbändigen Kraftpakete auf vier Pfoten, die uns Andi anvertraut hat. Immerhin sind sie ohne weiteres in der Lage, den Mitsubishi Pick-Up von Andi locker fünfzehn, zwanzig Kilometer weit zu ziehen, ohne nachzulassen. Gut zwei Tonnen wiegt das Gefährt . . . Staunend haben wir das gehört und waren uns in diesem Augenblick nicht mehr so sicher, ob wir überhaupt ein solches Abenteuer wagen können.

Doch zurück, wie alles begann. Zwei Wochen zuvor klingelte ein kleines Team des MDR-Fernsehens bei mir, um mir mitzuteilen, dass ich die glückliche Gewinnerin ihrer Rubrik "Wer möchte mal . . ." der Sendereihe "Mach dich ran" bin. Um die Frage, wen ich denn mitnehmen möchte, zu beantworten, musste ich nicht lange überlegen und nannte meine Freundin. Sie hat selbst zwei nordische Hunde vor einigen Jahren aus dem Tierheim aufgenommen.

So kam es, dass wir nun hier in Ödwang im Allgäu mit dem Hundegespann durch die verschneite Landschaft gleiten. Jetzt, auf dem Schlitten, möchte man nur noch rufen: "Schneller, schneller!" Für wenige Stunden sind wir Teil dieses Gespanns und genießen es, die kalte, klare Winterluft auf den erhitzten Wangen zu spüren. Alles, was ich mir zuvor über diesen Ausflug ausgemalt habe, ist nicht vergleichbar mit der Wirklichkeit. Es hat so etwas Friedliches, als die Hunde den Weg zwischen hohen, dick verschneiten Bäumen hinauf zur Hochebene einschlagen. Man hört das gleichmäßige Hecheln und zweifelt nicht einen Moment daran, dass auch die Hunde ihren Spaß haben.

Den nächsten Tag verbringen wir im österreichischen Nesselwängle im Tannheimer Tal - bei einem Schlittenhunderennen. Wir jubeln beim Rennen, besuchen mit Rennleiter Wolf-Dieter Polz das "Fahrerlager" und bestaunen eine echte Rennpulka. Dann neigt sich unser Aufenthalt dem Ende entgegen. Und schon schleicht sich Wehmut in die Gedanken, weil wir in wenigen Minuten die Heimreise ins ferne Sachsen-Anhalt antreten müssen. Doch eines ist klar: Mitte März sind wir in Kütten am Petersberg dabei, das haben wir Rennleiter Wolf-Dieter Polz versprochen. Zuschauen werden wir auf jeden Fall und irgendwann vielleicht sogar mal selbst ein Rennen fahren.