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Heim-WM Problemen zum Trotz: Handballerinnen fiebern WM entgegen

Die Handball-WM soll für die DHB-Frauen zu einem Meilenstein werden - nicht nur sportlich. Noch immer fehlt es vielerorts an professionellen Strukturen.

Von Eric Dobias, dpa 18.08.2025, 14:39
Die deutschen Handballerinnen fiebern der Heim-WM entgegen.
Die deutschen Handballerinnen fiebern der Heim-WM entgegen. Federico Gambarini/dpa

Dortmund - Der Schock über den finanziellen Kollaps des deutschen Meisters HB Ludwigsburg ist verdaut, der Blick der deutschen Handballerinnen geht 100 Tage vor dem Auftakt der Heim-WM wieder voller Zuversicht nach vorn. „Es ist ein Traum, nach Rotterdam zu kommen. Wir würden das Turnier gerne dort beenden“, sagte Bundestrainer Markus Gaugisch bei einem Werbe-Event in Dortmund zu den sportlichen Ambitionen der DHB-Auswahl. 

Die Endrunde vom 26. November bis 14. Dezember in Deutschland und den Niederlanden, wo am Final-Wochenende die Medaillen vergeben werden, bietet die große Chance, für positive Schlagzeilen zu sorgen und die Frauen ein wenig aus dem Schatten der Männer zu holen. „Es liegt an uns, die Leute für uns zu begeistern“, sagte Rückraum-Ass Alina Grijseels.

Damit das gelingt, unternimmt der Deutsche Handballbund große Anstrengungen. „Es geht uns um Aufmerksamkeit, Respekt und Anerkennung für den Frauen-Sport“, bekräftigte DHB-Vorstandschef Mark Schober. 

Fall Ludwigsburg als Mahnung

Wie fragil das Gebilde noch ist, zeigte der jüngste Knockout des Meisters und Pokalsiegers Ludwigsburg, der wegen finanzieller Schwierigkeiten einen Insolvenzantrag stellen musste. „Das war traurig und schockierend. Es ist schade, dass das Aushängeschild des deutschen Frauen-Handballs wegbricht. Jetzt sind alle gefragt, damit es nicht noch andere Mannschaften trifft“, sagte Grijseels. 

Für Schober zeigt der Fall, „wie schwierig der Markt für professionellen Frauen-Sport trotz positiver Entwicklung in Deutschland und Europa ist. Gerade deswegen ist der DHB überzeugt, durch eine größere Aufmerksamkeit dafür zu sorgen, das wirtschaftliche Umfeld für den Frauen-Handball gemeinsam mit der HBF schrittweise weiter zu professionalisieren“, sagte er.

Der Zusammenbruch des Double-Gewinners hatte auch Auswirkungen auf die DHB-Auswahl. „Viele unserer Nationalspielerinnen hätten sich dort optimal auf die Weltmeisterschaft vorbereiten können“, sagte Schober. Immerhin: Nach unruhigen Wochen sind mittlerweile fünf Auswahlspielerinnen bei anderen Vereinen untergekommen.

DHB stärkt Frauen-Sport

Generell wähnt sich der Verband auf einem guten Weg, um die riesige Lücke zu den Männern langsam zu schließen. So erhalten die Frauen bei allen Nationalmannschaftslehrgängen jetzt das gleiche Tagegeld wie die Männer. DHB-Präsident Andreas Michelmann nannte dies einen „überfälligen Schritt. Ich bin froh, dass wir diesen im Jahr der Heim-WM endlich gegangen sind.“ 

Deshalb wurde bereits vor Monaten eine breit angelegte Kampagne unter dem Motto „Hands up for more“ gestartet, in der sich etliche Nationalspielerinnen sehr offen zu den Problemen äußern. „Ich bin happy, dass eine Bewegung drumherum entsteht, denn wir stehen noch am Anfang. Wenn die Kampagne ernst genommen wird, kann das für den Frauen-Handball einen großen Beitrag leisten“, sagte Gaugisch.

Nationalspielerinnen benennen Defizite

Denn trotz aller Bemühungen geht es nur mühsam voran - vor allem auf Vereinsebene. „Ich weiß nicht, inwiefern alle Mannschaften vom Management her professionell aufgebaut sind. Ob da wirklich eine langfristige Idee dahinter ist“, sagte Julia Maidhof. 

Noch immer verfügen nicht alle Bundesliga-Teams über eine Halle mit einer Kapazität von mindestens 1.500 Plätzen. Den Clubs wurde gerade erst eine Fristverlängerung bis zum Ende der Saison 2028/29 eingeräumt, um diese in der vor fünf Jahren beschlossenen Weiterentwicklungsstrategie verankerte Vorgabe zu erfüllen.

Zwar wurde in der vergangenen Bundesligasaison mit insgesamt 200.272 Fans - das waren im Durchschnitt 1.244 pro Spiel - ein Zuschauerrekord verzeichnet. Im Vergleich mit den Männern, deren Spiele im Schnitt 5.525 Besucherinnen und Besucher in den Hallen verfolgten, fristen die Frauen aber weiter ein Schattendasein. 

„Bei uns werden die Hallen auch gerade größer und voller. Das ist eine super Entwicklung. Aber es wäre sicher cooler, wenn die Hallen so brechend voll wären wie bei den Männern und die Stimmung ähnlich kocht“, sagte Mareike Thomaier. Gut drei Monate vor dem WM-Start sind bislang 35 Prozent der Eintrittskarten verkauft worden. „Da haben wir noch einige Arbeit zu tun“, sagte Vorstandschef Schober.

Männer sind Lichtjahre voraus

Auch in der medialen Präsenz gibt es enorme Unterschiede. Während die Auftritte der DHB-Männer bei den großen Turnieren live bei ARD und ZDF gezeigt werden und mehrere Millionen Menschen vor die TV-Geräte locken, sind die Spiele der Frauen zumeist nur im Internet zu sehen. 

Dann ist da noch die allgemeine Wahrnehmung. „Ein bisschen hat man schon noch das Gefühl, dass der Frauen-Handball ab und zu belächelt wird“, sagte Viola Leuchter. Ganz zu schweigen von den Strukturen, die immer noch um Welten auseinanderliegen. 

Nach Ansicht von Antje Döll ist es „in den wenigsten Vereinen möglich, professionell zu trainieren“. Rückraum-Ass Xenia Smits belegte dies mit einem Beispiel: „Ich glaube, die wenigsten Männer-Mannschaften würden sich damit zufriedengeben, nach dem Training aus der Halle geschmissen zu werden, weil Schulsport reinkommt. Im Frauen-Handball ist das normal.“