Besondere Ehrung Hans-Jürgen Tschentke wird sechster Dan vom Deutschen Judoverband verliehen

Hettstedt - Das Lob ist ebenso kurz wie präzise. „Er ist einfach der Beste. Und immer mit Herzblut bei der Sache“, sagt Michael Scheffler. Dann fügt der stellvertretende Sektionsleiter der Sektion Judo der Budovereinigung Mansfelder Land schnell noch hinterher: „Es gibt keinen besseren Trainer als ihn. Manchmal ist er hart, aber immer gerecht.“ Das Lob gilt Hans-Jürgen Tschentke und kommt aus einem ganz besonderen Anlass. Der 79-Jährige erhielt jüngst vom Deutschen Judoverband den sechsten Dan verliehen.
Nur sieben Judoka in Sachsen-Anhalt haben diesen Leistungsgrad bisher, zwei sind im Besitz des siebenten Dan. Höher geht es hier im Bundesland bisher nicht hinaus. Von seiner Auszeichnung erfuhr Hans-Jürgen Tschentke dabei eher zufällig: „Ich habe es im Mitteilungsblatt des Judoverbandes gelesen.“ Kurz danach kam dann auch die offizielle Bestätigung, auf die sein Heimatverein nun die Gratulation folgen ließ.
„Ungefähr 750 Kämpfe habe ich selbst bestritten“
Darüber, dass sich der Eisleber, der seine sportliche Heimat in Hettstedt gefunden hat, diesen Leistungsgrad verdient hat, gibt es bei allen, die ihn kennen, keine zwei Meinungen. Tschentke ist so etwas wie das Gesicht der Budovereinigung, als Sportler, Trainer und Funktionär fast immer irgendwie präsent. Den Beleg dazu liefert er mit Zahlen und Fakten selbst: „Ungefähr 750 Kämpfe habe ich selbst bestritten. Bei einer DDR-Meisterschaft bin ich sogar mal Siebenter geworden. Als Trainer habe ich die Lizenz für Leistungssport. Seit 1992 bin ich Kyu-Prüfer, so rund 1.400 Prüfungen habe ich schon abgenommen. Und im Landesverband habe ich als Kassenprüfer gearbeitet.“
Kein Wunder, dass er sagt: „Vor Corona bin ich oft fast jeden Tag mit und für Judo auf Achse gewesen. Zum Glück hat das meine Frau, die selbst mit Judo nichts im Sinn hat, akzeptiert. Sie hat manches Wochenende dem Sport geopfert und gewidmet.“ Dabei war Hans-Jürgen Tschentke in Sachen Judo eher ein Spätstarter. Er kann sich noch genau an seine erste Trainingseinheit erinnern. „Das war am 24. September 1958 in Freiberg. Kollegen von mir, alles Laboranten, haben mich zum Training mitgenommen. Dann bin ich beim Judo hängen geblieben. Meine erste Trainerin war Waltraud Leistner, die erste Dan-Trägerin der DDR.“
Begeisterung fürs Judo
Vom Judo sei er von Anfang an begeistert gewesen, blickt Tschentke zurück. „Damals war ich 17. Die beste Zeit, um mit Judo zu beginnen, ist mit zehn oder elf. Das ist das beste Einstiegsalter.“ Nur logisch, dass Hans-Jürgen Tschentke dem Judo auch die Treue hielt, als er 1959 nach Eisleben zum Studium kam. „Da habe ich mich in Hettstedt angemeldet. Mit dem 4. Kyo war ich damals der Höchstgraduierte im Verein.“ Und an noch etwas erinnert er sich mit einem Lächeln zurück. „Wir hatten damals keine Matten, wir haben auf dicken Filzstreifen trainiert.“
Lange her ist diese Zeit, vergessen ist sie noch nicht. Vieles aus der Vergangenheit ist auch in einer Broschüre festgehalten, die im Jahr 2008 aus Anlass des 50. Gründungstages der Abteilung Judo unter maßgeblicher Federführung von Hans-Jürgen Tschentke entstand. Mittlerweile haben die Judoka um Tschentke längst in der Hettstedter Drushba-Halle ihre sportliche Heimat gefunden. Immer mittendrin, statt nur dabei, war Hans-Jürgen Tschentke. „Ich habe immer versucht, möglichst keine Trainingseinheit zu verpassen“, sagt er. Und erzählt auch davon, dass die Sektion Judo in Spitzenzeiten über 120 Mitglieder zählte und der MSV Hettstedt vier Mal die DDR-Meisterschaften ausgerichtet hat.
Hans-Jürgen Tschentke bleibt seinem Hobby auch nach der Wende treu
Auch nach der Wende blieb Tschentke seinem Hobby treu. „Es war nicht immer einfach. Sehr viele junge Übungsleiter sind damals in den Westen gezogen und haben hier natürlich gefehlt. Aber, und darauf lege ich viel Wert, ich hatte immer sehr gute Mitstreiter an meiner Seite.“ 2015 löste sich dann die Abteilung Judo vom MSV Hettstedt. „Der Stamm ist in die Budovereinigung mit eingetreten. Mittlerweile haben wir einen Stamm von 30 Mitgliedern.“
Wer mit Hans-Jürgen Tschentke spricht, spürt schnell dessen große Begeisterung für Judo. Auf die Frage, warum man sich für diese Sportart entscheiden solle, sprudelt es nur so aus ihm heraus. „Beim Judo wird man zur Fairness erzogen. Man lernt, blitzschnell zu reagieren. Man lernt, den Partner oder den den Gegner zu achten. Und man lernt die schnelle Entscheidungsfindung. Nach diesen Prinzipien richten wir unser Training aus.“
Bittere Corona-Zwangspause
Was Tschentke allerdings Sorgen macht, ist die sportliche Verfassung vieler Kinder. „Man muss in der Schule die Grundlagen wieder verstärkt auf die sportliche Ausbildung richten. Viele Kinder können nicht mal mehr eine Rolle vorwärts, geschweige den einen Handstand. Die Kinder sollten sich lieber mit Sport, als mit dem Handy beschäftigen. Aber da sind auch die Eltern gefordert.“
Umso bitterer ist es für Hans-Jürgen Tschentke und seine Mitstreiter, dass aufgrund der Corona-Krise derzeit kein Sport möglich ist. „Es ist sehr schwierig. Beim Judo gibt es nun mal Körperkontakt. Und das ist eben jetzt verboten. Aber wir stehen Gewehr bei Fuß, sobald es möglich ist, legen wir wieder los.“
Von den Erfahrungen des 79-jährigen Hans-Jürgen Tschentke profitieren seine Mitstreiter wieder. Und Glückwünsche zum sechsten Dan gibt es für das Vorbild garantiert auch. (mz)