Spitzenreiter Spitzenreiter: RB Leipzig schwebt nach 4:1-Sieg in anderen Sphären

Freiburg - Christian Streich hätte Ralf Rangnick beinahe gar nicht wahrgenommen. Rangnick stand nach dem 4:1-Triumph von RB Leipzig im Presseraum des SC Freiburg umringt von einer Traube von Journalisten, unterbrach aber das Gespräch, um dem Freiburger Coach die Hand zu schütteln.
Als Rangnick zu ihm durchgedrungen war, frotzelte Streich mit gespielter Empörung und auch ein wenig neidisch im badischen Dialekt: „Erscht jedes Woche gewinne, und dann steh’n auch noch alle drumherum.”
Die beiden eigenwilligen Fußballstrategen umarmten sich herzlich und gingen in ganz unterschiedliche Wochenenden. RB-Sportdirektor Rangnick sagte ob er ausgebauten Tabellenführung und des siebten Erfolgs hintereinander gelöst: „Die Freitagsspiele sind genial, wenn du selbst gewinnst. Dann kannst du in Ruhe die anderen Spiele anschauen. Ich hoffe ja immer, dass möglichst viele Partien unentschieden ausgehen, weil das gut für uns wäre.” SC-Trainer Streich hatte nach der dritten Niederlage in Serie auch Sorgenfalten auf der Stirn. „Wir müssen schauen, dass wir nicht in einen Abwärtsstrudel geraten”, sagte er.
Streich: „Mit unendlichen Möglichkeiten musst Du erstmal Unendliches schaffen”
Dabei war es gar nicht so die Niederlage gegen Spitzenreiter Leipzig, die Streich ärgerte. „Das ist eine Mannschaft, die in völlig anderen Sphären schwebt”, sagte Streich und dichtete beeindruckt hinterher: „Mit unendlichen Möglichkeiten musst Du erstmal Unendliches schaffen. Großes Kompliment.” Was dem knorrig-sympathischen Fußballlehrer mehr zu schaffen machte, war die Art und Weise, wie unbedrängt Leipzigs Genius Naby Keita nach 80 Sekunden das 1:0 erzielen konnte. „Symptomatisch ist das erste Tor. Das macht mir Sorge”, kritisierte Streich. Die Abwehrleistung bei dem Treffer sei „inakzeptabel” gewesen.
Dass die Leipziger dann trotz des raschen Ausgleichs der Gastgeber eine so beeindruckende erste Hälfte spielten, nötigte auch ihrem Trainer Ralph Hasenhüttl „ein Riesenkompliment” ab. Sein Team habe „ohne sich aufgrund der Tabellenführung zurückzulehnen sehr souverän und konzentriert durchgespielt”.
Jüngste Leipziger Startelf agiert „abgezockt”
Es war vor allem die Souveränität und das gestiegene Selbstvertrauen, das die Leipziger Akteure und Verantwortlichen nach dem überraschend deutlichen Auswärtssieg hervorhoben. „Ob wir Erster, Zweiter, Dritter sind oder noch einen anderen Platz haben, ist uns eigentlich egal. Wir haben viel Selbstvertrauen und gehen mit breiter Brust raus”, sagte Stürmer Yussuf Poulsen. „Wir sind jetzt als Mannschaft gefestigter. Die Spielidee ist bei jedem zu 100 Prozent verankert”, analysierte Aushilfs-Innenverteidiger Stefan Ilsanker.
Dass das Überraschungsteam von Spiel zu Spiel gefestigter wird und auch auswärts Partien dominiert, ist vor allem ob der Unerfahrenheit der Rasenballsportler erstaunlich. „Wir sind heute mit einer sehr, sehr jungen Mannschaft aufgelaufen, aber das hat man nicht gemerkt. Sie waren sehr abgezockt”, sagte Hasenhüttl.
Mit einem Altersschnitt von 23,9 Jahren gehen die Leipziger ohnehin mit dem jüngsten Team der Bundesliga an den Start.
192 vs. 481 Bundesligaspiele: Doch Erfahrung kann RB Leipzig nicht stoppen
Durch den Ausfall von Marvin Compper und die Hereinnahme von Benno Schmitz war die Startelf in Freiburg so jung wie noch nie in dieser Spielzeit. Doch nicht nur hinsichtlich des Alters, sondern auch, was die Zahl der Bundesligaspiele angeht, waren die Gäste den Breisgauern deutlich unterlegen.
Vor der Partie hatten die Spieler von Rasenballsport insgesamt erst 192 Bundesligaspiele auf dem Buckel – allein 106 davon hatte Timo Werner bestritten. Mitaufsteiger Freiburg kam auf deutlich mehr als das Doppelte: 481. Doch Erfahrung ist gegen Selbstvertrauen, Wucht, Teamgeist, das radikal umgesetzte Spielsystem sowie Kombinationssicherheit und individuelle Qualität der Leipziger klar im Hintertreffen.
„Atemberaubend”: Hasenhüttl staunt über seine Mannschaft
So sagte Hasenhüttl nach dem zwölften ungeschlagenen Bundesligaspiel in Serie und nun 30 Punkten aus zwölf Spielen: „Die Mannschaft macht immer den Eindruck, dass sie durch Siege nur noch hungriger wird. Du musst sie eher bremsen.”
Am Ende des Abends staunte der österreichische regelrecht Chefcoach über seine Mannschaft. „Wir haben vom ersten Pflichtspiel dieser Saison, als wir im Pokal ausgeschieden sind, bis hierher eine atemberaubend schnelle Entwicklung genommen.” (mz)
