Olympia-Qualifikation Olympia-Qualifikation : Matthias Fahrig kämpft um Startplätze

Halle (Saale) - Sein Tretroller verleiht Matthias Fahrig etwas Jungenhaftes. Der fahrbare Untersatz, den der Turner im Dezember von seinen Trainingskollegen zum 30. Geburtstag geschenkt bekommen hat, erlaubt ihm überall präsent zu sein. Ratzfatz, ist der bekennende Nicht-Autofahrer mit ihm in der Turnhalle, im Kraftraum oder der Physiotherapie. Nur zu einem Ziel kann ihn auch sein „Beschleuniger“ nicht helfen.
Keine Fehler erlaubt
Will der Doppel-Europameister von 2010 wieder in der Nationalmannschaft präsent sein und in gut sieben Wochen bei Olympia in Rio an die Geräte treten, geht das nur mit einem Hilfsmittel: Nervenstärke. Bei den deutschen Meisterschaften am Wochenende in Hamburg bewerben sich rund 40 Turner um die fünf Startplätze. Die besten Zwölf liefern sich 14 Tage später erneut einen Schlagabtausch. „Ich darf mir keine Fehler erlauben. Wenn ich mich qualifizieren will, muss alles auf den Punkt genau passen“, sagt Fahrig. Nicht nur an seinen Lieblingsgeräten Sprung und Boden.
Das einzige Gegengift
Nun ist der Hallenser sowieso kein Grübler. Die Frohnatur schaut lieber nach vorn und denkt nicht über das Gewesene nach. Seinen doppelten Kieferbruch vor einem halben Jahr, als ihm ein Unbekannter ein Bierglas über den Schädel zog, ist überstanden, nicht nur körperlich. Und doch spürt auch Fahrig das Besondere der Situation. Vier Jahre hat er auf diesen einen Wettkampf im Zeichen der Ringe hingearbeitet, das darf nicht umsonst gewesen sein.
„Eine gewisse Anspannung ist da, natürlich“, hat sein Trainer Uwe Ronneburg erkannt. Auch wenn Fahrig versucht, diese mit seiner locker-lässigen Art zu überspielen. Der Coach betreut den Athleten mit Beinen wie Katapulte schon einige Jahre, hat zuvor auch schon andere Top-Turner zu großen Meisterschaften geführt. Ronneburg kennt deshalb das einzig wirkende Gegengift bei Nervenflattern. „Mit jedem gelungenen Versuch im Training steigt das Selbstvertrauen“, sagt der Trainerfuchs.
Generalprobe läuft
Seit Fahrigs Weltcupsieg im April in Osijek läuft es in der Trainingshalle gut. „Natürlich gab es auch mal Tage, als es nicht so toll war, aber im Großen und Ganzen hat alles geklappt.“ Das war auch so bei dem Probelauf am Mittwoch, als Fahrig von der Wettkampf-Uhrzeit ab 13.30 Uhr bis zur Reihenfolge, in der die Geräte geturnt werden, alles simulierte. „Ich bin zufrieden“, so Ronneburgs Fazit über die Generalprobe.
Und wie wird Fahrig in Hamburg versuchen, mit dem enormen Druck fertig zu werden? „Ich zähle, bevor es losgeht, von Zehn an rückwärts. Dann rede ich mir ein: Mach nur nicht zu schnell, bleib ruhig, das ist ein ganz normaler Wettkampf und nicht Besonderes.“ Er weiß, dass er die Leistung drauf hat, „ich muss sie nur abrufen.“
Reihenfolge ist entscheidend
Und Fahrig ist noch etwas bewusst: „Es ist für alle sauschwer, die haben alle den gleichen Druck.“ Auch ein Fabian Hambüchen oder Marcel Nguyen mussten in der Vorbereitung gesundheitlich mit Tiefschlägen fertig werden.
Entgegen kommt Fahrig diesmal die Reihenfolge der Geräte. Bei den Ringen zum Auftakt ist er, um seine von den Trainingsbelastungen strapazierte Schulter nicht zu überreizen, befreit. Er kann zuerst in seiner Schokoladendisziplin Sprung punkten, muss bei Barren und Reck sauber durchkommen, um dann am Boden sein Meisterstück zu liefern. Er zeigt sechs Akrobatikreihen gespickt mit höchsten Schwierigkeiten. Erst am Schluss kommt das - manchmal störrische - Pauschenpferd.
Das Gespräch mit einem Sportpsychologen hat Fahrig übrigens auch diesmal nicht gesucht. „Keine Experimente. Ich werde jetzt nicht mit etwas gänzlich Neuem anfangen“, sagt er. (mz)