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Porträt des HFC-Gegners Darmstadt Porträt des HFC-Gegners Darmstadt: Die Absteiger sind geläutert

Von Ralf Panzer 28.03.2014, 11:46
HFC-Stürmer Akaki Gogia sichert beim Hinspiel den Ball vor dem Darmstädter Mittelfeldspieler Hanno Behrens (li.)
HFC-Stürmer Akaki Gogia sichert beim Hinspiel den Ball vor dem Darmstädter Mittelfeldspieler Hanno Behrens (li.) Eckehard Schulz Lizenz

Darmstadt/ MZ - Es herrschte nicht immer eitel Sonnenschein beim SV Darmstadt 98, das musste der oft leidgeprüfte Lilienfan zuletzt 2008 erfahren, als die Insolvenz drohte. Doch gemeinsam schafften es der Verein und seine Anhänger binnen 15 Monaten, den Super-Gau zu vermeiden. Eine typische Darmstädter Eigenschaft, denn wenn es darauf ankommt, hält man zusammen! Es folgte 2011 der nie für möglich gehaltene Aufstieg in die 3. Liga - endlich waren die 98er wieder auf der Deutschlandkarte des Fußballs vertreten!

Aber der Traum schien bereits im Sommer 2013 wie eine Seifenblase zu platzen: Abstieg nach 38 Spieltagen! Nur der Strafversetzung der Offenbacher Kickers in die Regionalliga Süd war es zu verdanken, dass die Lilien weiterhin in der dritten Liga spielen durften. Ausgerechnet der unter Lilienfans nicht gerade beliebte Rivale aus Offenbach belebt den SV 98 wieder - Ironie des Schicksals.

Was fortan unumstritten zählte, war der von Cheftrainer als Saisonziel ausgegebene „frühzeitige  Klassenerhalt“ 2013/14. Und hätte mir vor einem guten Dreivierteljahr jemand ein Papier mit Tabellenplatz 17 zum Unterschreiben vorgelegt, ich hätte es frohlockend und ohne mit der Wimper zuckend getan. Man wird bescheiden mit der Zeit.

Doch entgegen jeder Erwartung fuhren die Blau-Weißen nahezu unzählige Punkte ein, die sie in der vorangegangenen Saison nicht auf der Habenseite verbucht hätten. Und auch kleine Rückschläge wie das 0:1 im Hinspiel beim Halleschen FC konnten die Lilien nicht aus der Erfolgsspur bringen.

Demut und Stroh-Engel sorgen für Aufschwung 

Ich werde heute oft von Arbeitskollegen gefragt, welche Gründe der kometenhafte Aufstieg des SVD habe. Meist werfen die dem Fußball eher nicht so verfallenen Kolleginnen und Kollegen dann den Namen Dominik Stroh-Engel (DSE) als möglichen Grund in den Raum. Für meinen Geschmack wäre es aber zu einfach, den Drittligarekordtorschützenkönig DSE zum Vater des Aufschwungs zu erklären. Unbestritten trägt DSE mit mehr als der Hälfte der Darmstädter Treffer maßgeblichen Anteil am derzeitigen Relegationsrang. Aber es ist die gesamte Mannschaft, in der die individuelle Stärken zu einer Einheit verschmelzen. So erleichtern beispielsweise die Abwehrrecken Aytac Sulu und Benjamin Gorka die Arbeit von Keeper Jan Zimmermann, in dem sie kaum etwas zulassen. Marco Sailer, in Anlehnung an den ehemaligen österreichischen Ski-Olympiasieger „Toni“ genannt,  ist ein nimmermüder Kämpfer und Marcel Heller ein brandgefährlicher Wirbelwind auf der Außenbahn. Man könnte noch weitere Namen nennen…

Wichtiger für den Aufschwung ist aber etwas anderes als die Qualität der Mannschaft: Dass der SVD das Attribut „from worst to first“ gutgeschrieben bekommen muss, liegt meines Erachtens nach im sportlichen Abstieg der vergangenen Saison. Unerwartet erhielten die Spieler des SV 98 eine nicht für möglich gehaltene Chance, sich neu in der Liga zu beweisen. Man könnte sagen, dass die Absteiger geläutert sind und Demut üben. Eine weitere Eigenschaft ist die Charakterstärke, die die Spieler trotz des zuvor erlittenen Abstiegs an den Tag legten – als Indiz dient die Qualifikation für den DFB-Pokal unmittelbar nach dem sportlichen Liga-Aus 2013.

Zwei Trainerwechsel in einer Saison 

Ich erinnere mich an das Spiel „meiner Lilien“ in der Saison 2012/13 beim Halleschen FC: Die 98er trennten sich wenige Tage zuvor vom Aufstiegscoach Kosta Runjaic, den es zum damaligen Zweitligisten MSV Duisburg zog. Als Nachfolger wurde Jürgen Seeberger präsentiert, der die auf einem Abstiegsplatz liegenden Lilien die Tabelle herauf hieven sollte. Zur Halbzeit führte der HFC bei Seebergers Premiere mit 2:0 und kaum jemand im Gästeblock rechnete sich noch einen Punktgewinn aus.

Doch drei Minuten vor dem Abpfiff glückte Verteidiger Michael Stegmayer mit einem Volleyschuss der Marke „Tor des Monats“ doch noch der Ausgleich. Überschwänglicher Jubel unter dem mitgereisten 98er-Anhang! War das der erhoffte Seeberger-Effekt? Leider nicht, denn bereits drei Monate später musste Seeberger den Platz auf der Darmstädter Trainerbank für den heutigen Erfolgscoach Dirk Schuster räumen.

Bei der Partie gegen den HFC am Samstag dürfte es nicht minder spannend zugehen. Halle kämpfte sich nicht zuletzt dank der Winterneuverpflichtungen Tim Kruse und „Knipser“ Francky Sembolo von einem Abstiegsplatz ins vordere Mittelfeld vor, holte seitdem satte 19 Punkte! Auch wenn es den 98ern bisher nur einmal vergönnt gewesen war, gegen Halle das Feld als Sieger zu verlassen, werden die Hallenser diesmal keine Punkte vom Böllenfalltor an die Saale mitnehmen können. Ich denke, dass die Lilien mit 2:0 gewinnen werden und der HFC eher zum Meilenstein als zum Stolperstein für den SVD wird. Ich wünsche es mir zumindest…

Erst ein Sieg gegen Halle 

Der einzige Sieg gegen die Saalestädter, ein 2:1, gelang den 98ern übrigens vor 22 Jahren. Man schrieb das Jahr 1992 und beide Teams spielten um Punkte in der 2. Bundesliga. Ich hatte noch den Traum, eines Tages als Sportjournalist über den SV Darmstadt 98 zu berichten. Nur wenige Monate später sollten sich die Weichen anders für die Lilien und mich stellen. Heute ist möglicherweise ein Punkt erreicht, wo sich die Weichen wieder zurück stellen lassen werden. Für mich als (Hobby-)Sportreporter und für die Lilien in Richtung 2. Bundesliga. Denn eigentlich träumte ich davon, eines Tages im Radio die Zweitligaspiele meines Lieblingsvereins SV Darmstadt 98 live zu kommentieren. Pustekuchen, stattdessen schlug ich „den sicheren Weg“ ein, wurde Beamter. Und der SV Darmstadt 98 verabschiedete sich im selben Jahr aus der 2. Bundesliga und stieg ab. Seitdem sah man die Lilien nicht mehr im Unterhaus des deutschen Ligafußballs wieder.

Es ist nicht so, dass mir mein Job im Staatlichen Schulamt keinen Spaß macht. Aber so ganz konnte und wollte ich den Kindheitstraum vom Sportjournalisten nicht aufgeben. Der Zufall spielte mir in die Karten, als der SV 98 im Jahr 2007 ehrenamtliche Helfer suchte. Ich bewarb mich und durfte mich zunächst um die Statistik und die Historie des Traditionsvereins kümmern.

Hinter den nackten Ergebnissen verbargen sich allerdings für mich oftmals mehr als die zu vergebenden Punkte, so dass ich mehr über die damaligen Zeiten  in Erfahrung bringen wollte. Die Idee ward geboren, ehemalige Spieler in einem Buch in Erinnerungen schwelgen zu lassen, ihr Engagement für den südhessischen Traditionsverein textlich zu würdigen – gerne auch mit amüsanten Anekdoten garniert. Eine Vielzahl an ehemaligen Aktiven - darunter u.a. auch ein Meisterspieler von 1951 aus der Kaiserslauterer Fritz-Walter-Elf - steuerten ihre ganz persönliche Geschichte bei und ich ließ in Form des Buches meinen Kindheitstraum vom Sportreporter wieder aufleben. Zudem hoffte ich der großen Anhängerschar des SVD eine bleibende Erinnerung an alte Zeiten schenken zu können.

Lilien-Fan Ralf Panzer.
Lilien-Fan Ralf Panzer.
Ralf Panzer Lizenz