Ivica Banovic Ivica Banovic: Denker und Lenker beim Halleschen FC
Halle (Saale) - Die Augen leuchten. „Ich freue mich so, morgen meine Frau und meine Kinder zu sehen“, sagt Ivica Banovic. Behutsam nippt er am Glas mit italienischem Rotwein, den er sich zur Fischsuppe bei einem Italiener in Halles Innenstadt bestellt hat. Nur ein klitzekleines Problem beschäftigt ihn: Welche Art Lego soll er seinen Jungs Tristan (zweieinhalb) und Dorian (5) mitbringen? Aus der Chima- oder der Star-Wars-Serie?
Die Kaufentscheidung ist schwierig. Also wartet er auf einen telefonischen Tipp von Ehefrau Kristina aus Freiburg. Dort lebt die Familie in der gemeinsamen Eigentums-Wohnung.
Am Freitagabend war das. Ein vereister Platz in Reutlingen hatte zur Absage des Drittliga-Spiels des Halleschen FC bei den Stuttgarter Kickers geführt. Liebend gern wäre Ivica Banovic bereits unterwegs zu seinen Liebsten. Ging nicht. Für Samstag hatte Coach Sven Köhler noch eine Trainingseinheit angesetzt.
Banovic kennt diese Situation, er empfindet sie als mentale Belastung. Dazu verdonnert zu sein, in einer Stadt, wo er keinerlei privaten Anschluss hat, noch einen dieser so zähen Abende verbringen zu müssen. Auch wenn er vor Ungeduld und Sehnsucht leidet. Doch der 34-Jährige weiß nach 15 Jahren als Fußball-Profi: Nur selten geht es nach dem Wunsch des Spielers. Der Verein bezahlt sein Gehalt und bestimmt dafür die Regeln.
Zunächst Absage an Bremen
So ähnlich ergab sich das schon im Jahr 2000. Da saß er in seiner Heimatstadt Zagreb mit seinem Berater und dem damaligen Werder-Manager Klaus Allofs an einem Tisch. Das Angebot aus Bremen: Ein fetter Vertrag mit einem Gehalt über 20.000 D-Mark monatlich. In Zagreb verdiente der Teenager 1000 D-Mark, „unregelmäßig“, wie Banovic sagt. Und trotzdem verblüffte er den Mann mit dem dicken Portemonnaie. „Ich bleibe hier“, erinnert sich Banovic an seine Antwort, mit der er Allofs vor den Kopf stieß. „Ich war ein Mama-Kind“, schiebt er lachend hinterher. Nutzte nichts. Sein Klub wollte partout nicht auf die fünf Millionen Mark Ablöse verzichten. Also gab es Druck. Das Super-Talent, das auch Angebote von Real Sociedad aus Spanien und Bologna aus Italien hatte, zog unwillig ins ferne Deutschland.
Er spielte zunächst trotzdem gut, zweimal kickte er für die Nationalelf Kroatiens. Doch zum Durchbruch, zum Star-Status reichte es nicht. „Ich war in Bremen zunächst jung und ungestüm, und auch später nie richtig konstant gut. Immer mal ein halbes Jahr Leistungsträger, dann nur noch Reservespieler“, sagt Ivica Banovic und verweist auf seinen Einstand in Freiburg 2009/10: „Da war ich in einer Rangliste des ,Kicker’ nach der ersten Halbserie mit Spielern wie Sami Khedira und Nuri Sahin die Nummer zwei der Bundesliga-Mittelfeld-Spieler hinter Ze Roberto, der damals für den HSV spielte.“ Zu Saisonschluss gehörte er „nicht mehr zur ersten Elf“.
Leitwolf beim HFC
Beim Halleschen FC ist er Leistungsträger. Unbestritten. Er sortiert das Spiel aus dem zentralen Mittelfeld. „Aber ich bin Arbeiter, kein Leitwolf“, sagt er bescheiden. „Solche Sechser wie mich gibt es doch unzählig viele. Männer auf dieser Position sollten auf 400-Euro-Basis bezahlt werden“, meint er grinsend und dann voller Überzeugung: „Geld sollten die Klubs lieber in die Offensive investieren. Die Jungs dort müssen Klasse haben, weil sie Spiele entscheiden sollen.“
Doch um das Sportliche, den Profi-Job, kreist heute nur noch ein Teil seiner Gedanken. Über einen Freund lernte er 2003 bei einer Tour nach Hamburg seine Kristina kennen, eine Kroatin, seit Jahren in Deutschland, Juristin, zwei Jahre älter, so hübsch wie intelligent. Sie und die beiden die Kinder sind der Lebensmittelpunkt des Mannes, der für einen Fußballer wirklich außergewöhnlich tickt. Ivica Banovic liest abends in seinem 60-Quadratmeter-Appartment in Halles Süden philosophische Bücher: „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ von Eckhart Tolle steht in seinem Regal. „Awareness“ von Anthony de Mello oder „Die Macht Ihres Unterbewusstseins“, ein Bestseller geschrieben von Joseph Murphy. „Ich möchte einfach wissen, wie alles zusammenhängt“, sagt Banovic und fragt darauf: „Wie ist das Universum entstanden? War es ein Urknall? War es Gott? Gibt es den überhaupt? Niemand kann das beantworten.“
„Also muss ich dem Leben vertrauen“, der Kraft der Gegenwart - und seit sieben Jahren auch äußerst gesunder Ernährung. Sein Rat: „Schmeißt Weizen und Zucker weg!“ Er selbst ist Dinkel-Fan. „Eine Stunde kochen, etwas Olivenöl, Gemüse, auch Fleisch dazu. Ist prima“, sagt er tief überzeugt. „Ich mag auch Quinoa.“
Mit seinen Büchern, seiner Spezial-Kost, Rotwein und Filmen auf Arte oder ZDF-Neo verbringt Ivica Banovic seine Abende. Seit September 2014 war er einmal abends in Halle unterwegs. „Ich weiß auch nicht, warum ich hier keinen rechten Anschluss finde. Ich komme halt nicht von hier. Da ist es schwer“, sagt er.
Auf seiner vorletzten Station in Cottbus, wo er mit Energie aus der zweiten Liga abstieg, empfand er das Leben als leichter. Weil die Familie dabei war. Die Trennung hat er bewusst in Kauf genommen. Die Kinder sollten in Freiburg in den Kindergarten gehen. Dort will die Familie zukünftig leben. „Wenn ich nach Zagreb reise, ist das Heimat. Da bekomme ich Gänsehaut, wenn ich in die Stadt fahre“, erzählt er. „Deutschland ist toll, hier liebe ich die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Lebens. Hier zu sein, ist besser für die Kinder.“
Sonderregelung für Banovic fehlt
In diesem Moment vermisst er seine Lieben wieder sehr. „Ich wünsche mir, dass ich mal nach Auswärtsspielen in der Nähe von Freiburg, wie etwa in Stuttgart, direkt nach Hause darf und nicht zurück nach Halle zum Auslaufen muss“, sagt er. Er versteht, dass Trainer Sven Köhler um des Mannschaftsklimas willen keine Ausnahme-Regel zulässt. Eine solche in den Vertrag schreiben zu lassen, hat sein Berater versäumt. Banovic stöhnt deshalb und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Ich werde jetzt nichts dazu sagen. Doch im Mai muss ich mit dem Management reden“, meint er.
Um seine Familie wieder häufiger zu sehen, würde er wohl auch seinen Vertrag, der bis 2016 läuft, auflösen. Dabei fehlt ihm sogar noch eine Job-Idee für die Zeit nach der Karriere. Aber er möchte nicht mehr weit weg nur für den Fußball leben. Die Prioritäten sind andere.
In den Stunden, in denen Banovic über sein Leben erzählt, verpasst er drei Anrufe seiner Frau Tina, wie er sie nennt. Nun ruft er sie zurück. „Star-Wars-Legos sollen es sein“, sagt er erleichtert lachend. Er muss sich sputen. Wein austrinken, ab zum Einkauf. (mz)