Nach Niederlage des FC Bayern München gegen den FC Porto Nach Niederlage des FC Bayern München gegen den FC Porto: Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt schmeißt nach Streit hin

München/Köln - Der Ärztestreit beim deutschen Fußball-Rekordmeister Bayern München ist eskaliert: Einen Tag nach der 1:3-Niederlage im Viertelfinale der Champions League beim FC Porto hat Mediziner-Ikone Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nach fast vier Jahrzehnten hingeschmissen. In einer Mitteilung sprachen der 72-Jährige und drei seiner Kollegen von einem „geschädigten Vertrauensverhältnis“.
In dem Schreiben erklärten Nationalmannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt, sein Sohn Kilian sowie Peter Ueblacker und Lutz Hänsel, die medizinische Abteilung sei „aus ihnen unerklärlichen Gründen für die Niederlage hauptverantwortlich gemacht“ worden. Die Bayern wurden vom Schritt der Mediziner völlig überrascht. „Wir haben von dieser Pressemitteilung keine Kenntnis, insofern können wir sie nicht kommentieren“, sagte Mediendirektor Markus Hörwick am Donnerstagabend auf SID-Anfrage. Müller-Wohlfahrt hat ein Statement zu seinem plötzlichen Rücktritt angekündigt. Allerdings will er sich erst später äußern. Jetzt sei es noch zu früh, sagte der Arzt.
Zwischen Müller-Wohlfahrt, der seit 1977 für die Bayern arbeitete, und Trainer Pep Guardiola hatte es im Laufe der Saison angesichts der Verletztenmisere des Bundesliga-Spitzenreiters spürbar gekriselt. Zuletzt schien sich das Verhältnis aber normalisiert zu haben. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung ist es unmittelbar nach dem Porto-Spiel in der Kabine zu Diskussionen zwischen Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge und Müller-Wohlfahrt gekommen. In dem Wortwechsel soll es darum gegangen sein, warum die Verletzten nicht schnell genug zurückkehren.
„Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt“
In Porto musste der FC Bayern ohne die verletzten Medhi Benatia (Muskelfaserriss), Franck Ribéry (Knöchelprobleme), Arjen Robben (Bauchmuskelriss), Javi Martinez (Kreuzbandriss) und David Alaba (Innenbandriss) auskommen. Bei der Auseinandersetzung könnte es vor allem um Franck Ribéry gegangen sein, spekuliert das Boulevard-Blatt in der Freitagausgabe. Der Franzose hatte sich beim Spiel gegen Donezk vor vier Wochen am Knöchel verletzt. Er sollte angeblich nur zwei bis drei Tage ausfallen. Guardiola und Müller-Wohlfahrt sollen damals darüber gestritten haben, ob Ribéry mit oder ohne Spritzen behandelt werden solle.
Auch im Fall Benatia soll es Ärger gegeben haben. Beim Pokal-Spiel gegen Leverkusen soll der Marokkaner schon angeschlagen in die Partie gegangen sein und musste dann wegen eines Muskelfaserrisses ausgewechselt werden. Guardiola verlor vorübergehend die Fassung und klatschte höhnisch in Richtung des Bayern-Arztes.
Nun kam es offenbar zum Bruch. Das Ärzte-Quartett sieht „dadurch das für eine erfolgreiche medizinische Arbeit notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt“. Die tägliche Arbeit mit der Mannschaft hatte seit Anfang des Jahres Kilian Müller-Wohlfahrt geleistet. Guardiola soll zuvor darüber verärgert gewesen sein, dass die Spieler bei Blessuren stets den langen Weg zu Müller-Wohlfahrt Senior in die Münchner Innenstadt zurücklegen mussten.
Schon einmal war Müller-Wohlfahrt in seiner langen Bayern-Karriere beim Rekordmeister zurückgetreten: Nach einem Streit mit Jürgen Klinsmann im Jahr 2008 kehrte er allerdings unmittelbar nach dessen Entlassung zurück. In einem Alter, in dem für die meisten längst der Ruhestand begonnen hat, ist Müller-Wohlfahrt immer noch aktiv.
Der Münchner gilt als Institution
Weiterhin gilt der Arzt aus München als Institution, als Guru der Prominenz. Sogar Supersprinter Bolt, der Doppel-Olympiasieger von London, bedankte sich nach seinem Sieg über 100 Meter ausdrücklich beim „Doc“. „Er ist ein großer Mann. Er hat meine Muskeln behandelt, aber er war mehr als ein Arzt für mich“, sagte der Jamaikaner und fügte an: „Er hat eine sehr wichtige Rolle gespielt.“
Die spielt und spielte Müller-Wohlfahrt aber nicht nur bei Bolt. In der Praxis in der Münchner Innenstadt geben sich Stars aus allen Bereichen des Lebens die Klinke in die Hand. Da taucht dann schon einmal spontan ein Bruce Springsteen auf, weil seine Konzerttournee wegen akuter Rückenprobleme in Gefahr ist. Warum so viele Menschen dem in Leerhafe in Ostfriesland geborenen Pastorensohn vertrauen, verdeutlicht Tennisspielerin Andrea Petkovic: „Er hat goldene Hände“. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sprach einst von „Radarfingern“. Boris Becker ergänzte, dass „Mull“, wie er meist genannt wird, „ein seelisches Wannenbad“ sei, ein „Dr. Feelgood“ (Sunday Times) eben. (ccp/sid)

