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Nach Fan-Ausschreitungen in Italien Nach Fan-Ausschreitungen in Italien: Stadionverbot für "Genny das Aas"

Von Regina Kerner 06.05.2014, 17:37
Anführer der berüchtigten "Curva A": Gennaro de Tommaso.
Anführer der berüchtigten "Curva A": Gennaro de Tommaso. dpa Lizenz

Rom - „Man ist sich vorgekommen wie im Colosseum“, schimpft Claudio Lotito, Präsident des Fußballclubs Lazio. Ein Stadion mit 70.000 Menschen, unter ihnen sogar der italienische Regierungschef Matteo Renzi, habe 45 Minuten darauf warten müssen, dass ein vorbestrafter Fan den Daumen hebt, damit das Fußballspiel endlich stattfinden konnte. Der frühere Anti-Mafia-Staatsanwalt und linke Politiker Antonio Ingroia spricht angesichts der Vorfälle im römischen Olympiastadion sogar vom „Ende der Demokratie“. Staatspräsident Giorgio Napolitano diagnostiziert eine moralische Krise.

Seit am Samstag vor dem Pokalfinale zwischen dem SSC Neapel und AC Florenz drei Männer durch Pistolenschüsse verletzt wurden und das Spiel erst nach 45-minütigen Ausschreitungen und Verhandlungen mit dem Anführer der gewaltbereiten Neapel-Fans angepfiffen werden konnte, wird in Italien erregt debattiert. Die Kapitulation von Staat und Institutionen vor der Gewalt der Ultras, wie die Hooligans heißen, sei allzu offensichtlich geworden, sagen viele. „In Italien ist die Republik nicht mehr souverän“, schrieb die Zeitung La Repubblica. Sie habe schrittweise die Kontrolle einiger Gebiete abgegeben: An politische Extremisten, organisierte Kriminalität und eben Hooligans.

Verhandelte der Minister mit Tommaso?

Innenminister Angelino Alfano dementierte zwar eilig, dass es im Stadion Verhandlungen mit Gennaro de Tommaso gegeben habe, der in der Szene „Genny ‘a carogna“ (Genny das Aas)  genannt wird. Aber die live übertragenen Fernsehbilder, wie der martialisch tätowierte und muskelbepackte Ultra-Boss über das Gitter der Fankurve hinweg mit Neapel-Kapitän Marek Hamsik diskutierte, sprachen für sich. Erst nachdem „das Aas“ zusicherte, dass die Neapel-Fans ruhig bleiben würden, konnte gespielt werden. Zuvor hatten sich Ultras außerhalb des Stadions mit Eisenstangen und Messern bekriegt. Ein 30-jähriger Neapel-Fan, auf den geschossen wurde, ist zwar außer Lebensgefahr, wird aber vermutlich gelähmt bleiben.

Nach Schätzungen gibt es in Italien zwischen 40.000 und 70.000 Ultras. Es ist eine höchst undurchsichtige Szene, darunter Rassisten mit Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen und anderen, die der Camorra und Mafia nahestehen. Genny das Aas, Anführer der „Mastiffs“, wie sich seine Hooligans nennen, soll Verbindungen zu Camorra-Clans in Neapel haben. Auch der Chef der Viking-Fans von Juventus Turin gilt als Mafia-nahe.

Dagegen betreibt der inzwischen verhaftete Täter, der die Pistolenschüsse abgab, eine Bar in Rom, die ein bekannter Treffpunkt von Neofaschisten ist. Doch vielen Ultras geht es offenbar in erster Linie um Randale. „Politik spielt für die meisten keine Rolle“, sagte ein 26-jähriger Hooligan der Zeitung La Repubblica. Es gehe um den Kitzel der Gewalt. „Wir sind längst aus dem Stadion-Umfeld raus. Der Staat findet uns jetzt auf allen Plätzen.“ Was bei Demonstrationen und Studentenprotesten als Schwarzer Block gelte, seien die Ultras. In der Hooligan-Szene trägt man schwarze Kapuzenshirts und Helme, um auf Videos nicht erkannt zu werden.

Fünfjähriges Stadionverbot für "das Aas"

Was die italienische Regierung nun als Gegenmaßnahmen angekündigt hat, scheint angesichts solcher Aussagen fast lächerlich.

Der Innenminister stellt lebenslange Stadionverbote für Gewalttäter in Aussicht. Und tatsächlich ist „das Aas" nun mit einem Stadionverbot von fünf Jahren belegt worden. Experten halten das für wirkungslos. Großbritannien müsse als Vorbild gelten, fordert etwa Lazio-Präsident Lotito in Interviews, mit  Sicherheitszellen in den Stadien, strengeren Strafen und schnellen Prozessen. Auch die Klubs müssten zur Prävention beitragen. Lazio etwa gehe in die Schulen. Lotito klagt aber, dass es die Vereine nicht leicht hätten: „Sie überleben nur dank des Fernsehens. Die Sender leben von den Fans, also hat der Fan das Kommando.“

Immerhin hat Ministerpräsident Renzi angekündigt, die Klubs künftig an den Kosten für die Sicherheit zu beteiligen. 12,5 Millionen Euro gibt der Staat für Polizeieinsätze rund um die Stadien aus. „Wir werden den Fußball nicht den Ultras überlassen“, hat Renzi versprochen.