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World Wide Web World Wide Web: Die sieben Hüter des Internets

Von Timo Schillinger und Sven Winterschladen 30.07.2010, 14:54
Das Internet wird von sieben Hütern beschützt. (FOTO: DPA)
Das Internet wird von sieben Hütern beschützt. (FOTO: DPA) tmn

Frankfurt/MZ. - Es könnte eine neue Geschichte von Dan Brown sein. Wobei: Eine derartige Verschwörungstheorie wäre wohl selbst dem Bestsellerautor von „Illuminati“ und „Sakrileg“ zu heikel. Sie klingt einfach zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Es geht um das Internet. Es geht um sieben Menschen. Es geht um sieben Schlüssel, mit denen die Geheimnishüter das World Wide Web retten können. Der Plot geht so: Im Falle eines Cyberangriffs kommen die Bewahrer an einem geheimen Ort zusammen, um dort das Internet mit einem Neustart zu verteidigen.

So fiktiv es sich anhört: Seit vergangener Woche, mit Einführung des Online-Sicherheitssystems DNSSEC (Domain Name System Security), gibt es diese sieben Herrscher über das WWW tatsächlich.Das Internet ist ein verführerisches Ziel für Cyberattacken. Mehr als zwei Drittel aller Deutschen sind online, weltweit jeder Fünfte. Online-Banking, Internetauktionen, soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, - ein großer Teil unseres Lebens spielt sich in der virtuellen Welt ab. Ohne geht es nicht mehr. „Wenn das Internet weltweit lahm gelegt ist, ist die Welt lahm gelegt“, sagt Isabell Unseld vom Anti-Viren-Spezialisten McAfee. Welche Macht das Internet hat, zeigte sich kürzlich, als die Whistleblower-Plattform Wikileaks zehntausende geheime US-Dokumente zum Einsatz in Afghanistan veröffentlichte. Die US-Regierung hatte große Mühe, den Schaden in Grenzen zu halten. Kaum vorstellbar, wenn Kriminelle diese Macht ausnutzen.

An diesem Punkt der Geschichte kommen die sieben Herrscher über das Internet wieder ins Spiel. Sie leben in Tschechien, Kanada, China, Trinidad Tobago, Burkina Faso, USA und Großbritannien. Einer von ihnen hat sich sogar schon verraten. Paul Kane, ein Engländer, hat erzählt, dass er seinen Schlüssel in einer bombensicheren Tasche in einem Tresor aufbewahre. Nicht alle sind so gesprächig. Im Fall der Fälle müssen fünf der sieben Auserwählten zusammenkommen, um mit den Freischaltcodes ihrer Smart Keys gemeinsam die Cyberattacke abzuwehren. Das hat die Non-Profit-Organisation ICANN bekanntgegeben, die als eine Art Weltregierung des Internets gilt.

Dass es – neben einer physischen Zerstörung – technisch gar nicht so kompliziert ist, das Internet grundlegend zu stören, weiß man seit rund zwei Jahren, als Sicherheitsexperten ein kritisches Problem beim so genannten Domain Name System (DNS) ausmachten. Das DNS ist dafür zuständig, die Ziffern der IP-Adresse einer Internetseite mit einem für den Nutzer bedienerfreundlicheren Namen zu verknüpfen. Erst dadurch wird aus einer kryptischen Zahl eine greifbare Adresse, wie etwa www.google.de. „Bislang war es Kriminellen möglich, sich bei diesem Schritt dazwischen zu schalten, um damit Firmen auszuspionieren oder im einfachsten Fall Suchanfragen auf eine Seite lenken, um damit Aufmerksamkeit zur erregen“, sagt Jürgen Kuri, Internetexperte der Computer-Fachzeitschrift „c’t“. Mit der Einführung des Online-Sicherheitssystems DNSSEC, das am 15. Juli gestartet wurde, soll nun gewährleistet werden, dass sich bei der Eingabe einer Adresse tatsächlich nur der angesteuerte Server meldet. Jeder Server erhält dadurch also eine Art digitalen Ausweis. Die Namen werden auf 13 Servern auf der Welt verwaltet. Was das alles mit den sieben Schlüsselträgern zu tun hat? Sie kämen zum Einsatz, wenn der Masterschlüssel, der die Namen codiert, geknackt wird. Durch das Zusammenführen ihrer Schlüssel können sie einen Neustart einleiten und einen neuen Mastercode generieren. Gegen eine physische Zerstörung kann allerdings auch der Geheimbund nichts tun. Sollten also die wichtigsten Server zerstört oder Tiefseekabel gekappt werden, wären auch sie machtlos.

In Los Angeles treffen sich in diesen Tagen Experten aus aller Welt auf der Black-Hat-Konferenz. Dort tauschen sie sich über neue Methoden von Cyber-Angriffen aus. Der Name der Veranstaltung passt, denn Black Hats werden destruktive Hacker bezeichnet, die Zugriffsbarrieren von Computern und Netzwerken knacken oder mit Viren verseuchen. „Solche Dinge erleben wir praktisch jeden Tag“, sagt Costin Raiu, der als Chef das weltweite Virenanalystenteams der Internet-Sicherheitsfirma Kaspersky leitet. „Das Netz basiert auf ziemlich alten Protokollen. Das ist gefährlich und macht es für Angreifer einfach.“ Auch Raiu kennt die Geschichte von den sieben Schutzbefohlenen, der geheimen Macht des Internets: „Das ist kein Märchen, das ist wirklich so. Ich habe zwar noch keinen persönlich kennen gelernt, weil sie im Verborgenen agieren. Aber dass es sie gibt, ist bestätigt.“