Schicker Sperrmüll Schicker Sperrmüll: Designer entdecken alte Möbel neu

Hamburg/Dortmund/dpa - Die Architektin Maike Groeneveld setzt mit ihrem Einrichtungsladen «Wohnbar» in Hamburg auf «Design mit Geschichte»: «Wir wollen alte Möbel nicht klassisch aufarbeiten, so dass sie danach so aussehen wie vorher. Wir geben ihnen ein neues Leben.» Zum Beispiel bekam ein alter Kleiderschrank ein Rosenmuster verpasst - und den Namen«Rosengarten». Und der Tisch «Sabine» glänzt mit einerlängsgestreiften Tischplatte in verschiedenen Brauntönen.
«Wenn wir ein altes Möbelstück bearbeiten, schauen wir zuerst, was daran schön ist und was man hervorheben sollte», so Groeneveld. «Dann überlegen wir, wie wir das Stück in unsere Farbkollektion einarbeiten können.» «Jadeblüten im Fliederrausch» heißt die aktuelle Reihe, die mit den Farben Grün, Türkis, Petrol und Flieder spielt.
Im Trend liegen die alten Möbel allemal. Die Retro-Welle habeihren Höhepunkt noch lange nicht erreicht, sagt Ursula Geismann,Sprecherin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef: «Es ist die Sehnsucht nach dem Lebensgefühl einer bestimmten Zeit. Junge Menschen erinnern sich vielleicht gerne an ihre Kindheit und wollen so wohnen wie ihre Eltern damals.» Andere verbinden mit den Siebzigern Werte wie Freiheit und Selbstverwirklichung.
Das Ambiente der «Wohnbar» wirkt frisch: Kein Flohmarkt-Miefumweht die alten Stücke. Manchmal muss man sehr genau hinsehen, um das wahre Alter der Unikate zu erraten. Ganze Wohnkonzepte werden von den Inhabern entwickelt, neben den Möbeln werden auch passende Stoffe und Accessoires verkauft. Die Kundschaft bestehe aus jungen und jung gebliebenen Menschen, die kreativ und trendbewusst veranlagt seien, so Groeneveld. Die originellen Einzelstücke erfüllen zudem den Wunsch nach mehr Individualität: «Heute wollen die Leute keine fertigen Serien kaufen, wo alles zusammenpasst, sondern einzelne schöneStücke, die sie individuell zusammenstellen», sagt Ursula Geismann.
Aufgemöbelte Unikate gibt es auch bei «Ecomöbel», einemPilotprojekt in Dortmund, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ausgehend von dem Gedanken, dass von den sieben Millionen Tonnen aussortierter Möbel nur etwa fünf Prozent weiterverwendet werden, hat man dort vor zwei Jahren damit begonnen, Dachbodenfunde und Kellerhüter zu sammeln. Diese werden ökologisch sowie zum Teil auch modern und ausgefallen aufgearbeitet.
«Wir arbeiten bewusst mit Künstlern und Kreativen zusammen, dieunseren Möbeln eine ganz besondere Note geben», erklärt WernerBaumann, Leiter des Projektes am Institut für Umweltforschung (INFU) der Universität Dortmund. Beispielsweise besprühen Graffiti-Künstler Schränke und Klaviere mit ausgefallenen Motiven. Eine Tischlerin bezieht Schranktüren mit grellen Stoffen. Ein anderer lässt aus unbrauchbaren Schubladen völlig neue, originelle Kommoden entstehen. Die Idee zum Schubladenschrank hatte eine Kundin - Wunschmöbel auf Bestellung sind keine Seltenheit.
«Moderne Designmöbel kann sich jeder kaufen. Das Besondere anunseren Möbeln ist, dass es keine zwei gleichen Stücke gibt», sagt Baumann. Zu kaufen sind die Stücke zu moderaten Preisen in Dortmund, Hagen und Hattingen, einen Überblick vermittelt die Internetseite www.ecomoebel.de.
Sophie von Lützow schätzt die alten Möbel nicht nur wegen ihrerinteressanten Geschichte, sondern auch wegen ihrer Qualität: «Sie sind viel besser verarbeitet und halten auch viel länger», sagt die Filmausstatterin aus Berlin. Das bringe zunehmend auch ihre Kunden auf den Geschmack: «Bei uns kaufen junge Leute, die gut und originell wohnen wollen und die merken, dass man dafür nicht viel mehr Geld ausgeben muss als bei Ikea.»
Von Lützow betreibt gemeinsam mit ihrer Schwester die «kaufbar» in Berlin-Friedrichshain. Dort können Gäste nicht nur Kaffee trinken, sondern das Sofa, auf dem sie sitzen, gleich mit auf die Rechnung setzen. Die ungewöhnliche Idee kam von Lützow selbst in einem Café, als sie sich fragte, wo man das Interieur wohl kaufen könnte.
Sofas, Sessel, Tische und Lampen kauft Sophie von Lützow aufFlohmärkten und bei Haushaltsauflösungen. «Es ist immer wiederspannend, zu sehen, wo das Möbelstück herkommt, welche Geschichte es hat.» Zum aufwendigen Restaurieren der Möbel fehlt ihr aber die Zeit: Ständig muss sie für Nachschub sorgen, damit die Cafégäste nicht irgendwann auf dem Boden sitzen.