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Prozess Prozess: Ungewollter «Zwitter» verklagt Chirurgen

11.12.2007, 15:40
Die Krankenpflegerin Christiane V. steht vor dem Landgericht in Köln. (Foto: dpa)
Die Krankenpflegerin Christiane V. steht vor dem Landgericht in Köln. (Foto: dpa) dpa

Köln/dpa. - In dem bundesweit beispiellosen Fallverlangt die 48 Jahre alte Klägerin 100 000 Euro Schmerzensgeld, dader Arzt ihr vor 30 Jahren intakte Eierstöcke und Gebärmutter ohnevorherige Aufklärung entfernt habe. Das warf die Frau dem ehemaligenMediziner einer Kölner Klinik am Mittwoch zu Beginn desaufsehenerregenden Zivilprozesses vor dem Kölner Landgericht vor. DasGericht sprach von einem besonders schwierigen und problematischenFall (AZ: 25 O 179/07).

Rechtsanwalt Georg Groth sagte, der beklagte Chirurg sei nicht derallein Verantwortliche für das Schicksal seiner Mandantin. Von Geburtan habe es eine Reihe von medizinischen Fehlern gegeben, doch derChirurg habe das «gefährliche OP-Besteck geführt». Zudem könne wegender Verjährungsfristen nur noch der Arzt belangt werden, der denEingriff im Jahr 1977 vorgenommen hatte.

Die intersexuelle Klägerin selbst - sie nennt sich Christiane undfühlt sich «eher weiblich» - sagte der Deutschen Presse-Agentur dpavor Prozessbeginn, ihre medizinische Behandlung durch mehrere Ärztesei eine «einzige Katastrophe» gewesen. Man habe «Pfusch ohne Ende»an ihr begangen.

Die Klägerin war bei ihrer Geburt wegen nicht eindeutiger äußererGeschlechtsorgane fälschlicherweise als Junge vermerkt worden. Einevergrößerte Klitoris wurde als Penis angesehen. Das Kind wurde vonden Eltern als Junge groß gezogen, der in der Pubertät auch männlicheEntwicklungen wie Bartwuchs zeigte. Er hatte aber vielegesundheitliche Probleme und hörte schon mit 14 Jahren auf zuwachsen. Erst mit 17 Jahren wurde bei einer Blinddarm-OP entdeckt,dass «Thomas» über Gebärmutter und Eierstöcke verfügte. Ein Jahrspäter kam es zu der folgenschweren OP in Köln.

Nach Ansicht der Klägerin hätte der Chirurg die OP sofortabbrechen müssen, als er bemerkte, dass die inneren weiblichenGeschlechtsorgane voll entwickelt und intakt waren. Mit dem Eingriffsei sie biologisch unumkehrbar zum Mann gemacht worden. Der Anwaltdes Beklagten, der nicht zum Prozess erschienen war, bestritt einFehlverhalten und betonte die Verantwortung der behandelndenInternisten. Der Vorsitzende Richter Dietmar Reiprich sagte, eshandele sich um einen problematischen Fall, der lange zurückliege undfür dessen Rekonstruktion viele Akten fehlten, vor allem der wichtigeOP-Bericht.

Eine Unaufklärbarkeit des damaligen Sachverhalts könnemöglicherweise zulasten der Klägerin gehen, sagte der Richter ineiner ersten Einschätzung. Der Fall werde auch dadurch erschwert,dass nicht die Stadt Köln als Trägerin der Klinik verklagt wurde,sondern nur der einzelne Mediziner, was bei der Zuordnung vonVerantwortlichkeiten problematisch sein könne. Es müsse geklärtwerden, ob die damals 18-Jährige ausreichend aufgeklärt und überAlternativen zur OP informiert worden sei. Fest stehe aber, dass derKlägerin damals «bewusst verschwiegen worden» war, dass sie vomChromosomensatz her eindeutig weiblich sei.

Beide Seiten lehnten am ersten Prozesstag einen Vergleich ab. DasUrteil will die Kammer am 6. Februar 2008 verkünden.