Niedersachsen Niedersachsen: Mutmaßlicher Doppelmörder schweigt

Hannover/dpa. - Gabriele Gaucke wirkt gefasst. Aufrecht und mit festem Blick bahnt sich die kleine, elegante Frau am Dienstag den Weg durch die dicht gedrängte Menge von Reportern und Zuschauern zumIndizienprozess in den Schwurgerichtssaal des Landgerichts Hannover. Dort trifft sie zum ersten Mal seit Monaten auf den Mann, der ihre Tochter Karen Gaucke und die sieben Monate alte Enkelin Clara umgebracht haben soll. «Äußerlich scheinen sie ruhig, aber innerlich brodelt es in meinen Mandaten», sagte Anwalt Matthias Waldraff, der Gabriele und Hans Gaucke als Nebenkläger vertritt.
Der 38 Jahre alte schlanke Mann auf der Anklagebank sieht müdeaus. Mit zusammengepressten Lippen hört er dennoch aufmerksam zu, als Oberstaatsanwalt Thomas Klinge die Anklage verliest. Heimtückisch und aus niederen Beweggründen habe er am 15. Juni vergangenen Jahres seine 37-jährige Ex-Freundin und das gemeinsame Kind in ihrer Wohnung in Hannover getötet, weil sie seinem Leben mit einer neuen Familie imWeg standen. Die Leichen habe er an einem unbekannten Ort versteckt -bis heute wurden sie trotz aufwendiger Suche in Wäldern und Seennicht gefunden.
Für das Gericht wird es schwer, das Schicksal von Karen und ClaraGaucke aufzuklären. Denn der mit einem braunen Anzug und einemhellblau karierten Hemd bekleidete Manager kündigt an, keine Angabenmachen zu wollen: «Ich möchte schweigen.» Lediglich zu seiner Personsagt der Angeklagte aus. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ober unterhaltspflichtige Kinder habe, antwortet der Angeklagte: «Zwei,beide ein Jahr alt.» Dabei gibt es von seiner Tochter Clara seitvorigem Sommer kein Lebenszeichen mehr. Die Staatsanwaltschaft weißnur noch von einem weiteren Kind mit seiner neuen Lebensgefährtin.
Emotionen spielen zum Prozessauftakt am Dienstag eine wichtigeRolle. Die Verteidigerin des Managers, Hela Rischmöller-Pörtner,beklagt eine «mediale Vorverurteilung» ihres Mandanten. Er sei massivangefeindet worden. Für den 38-Jährigen gelte die Unschuldsvermutung,betont sie. Zudem beantragt Rischmöller-Pörtner, die Verhandlung proTag auf vier Stunden zu begrenzen. Ihr Mandant sei angeschlagen, weiler wegen Selbstmordgefahr in besonders gesicherten Zellen einsitze.Er habe wenig Abwechslung, könne nachts in grellem Licht kaumschlafen, werde mehrmals kontrolliert. Der Vorsitzende Richter meintjedoch, ein Gutachter im Saal solle von Tag zu Tag entscheiden, obder Mann noch verhandlungsfähig ist.
Der 38-Jährige folgt den Aussagen der Polizeibeamten, die alserste die Wohnung der verschwundenen Karen Gaucke untersucht hatten.Gut eine Woche nachdem der Vater von Karen Gaucke seine Tochter alsvermisst gemeldet hatte, entdeckten sie eine große Blutlache unterder Waschmaschine des Opfers. «Von da an hatten wir den Verdacht,dass Karen Gaucke getötet worden sein könnte», sagt der Leiter derMordkommission, Andreas Nikel.
Immer mehr Indizien trugen die Ermittler zusammen. Unter denSchuhen des Verdächtigen und auch in seinem Mietwagen entdecken dieErmittler Blutspuren der 37-Jährigen. «Außerdem hat er sich imInternet über Morde mit Äxten und dem juristischen Unterschiedzwischen Mord und Totschlag informiert», schildert Nikel. Der 38-Jährige hatte zunächst bestritten, etwas mit dem Verschwinden seinerEx-Freundin und seiner Tochter zu tun zu haben. Danach hatte ergeschwiegen. Ein Mithäftling, dem er die Tat angeblich gebeichtethat, soll später im Prozess auf seine Glaubwürdigkeit geprüft werden.
Noch haben Gabriele und Hans Gaucke Hoffnung, dass sie erfahren,wie ihre Tochter und ihre Enkelin starben und wo die Leichen sind.«Es ist ihr Recht als Nebenkläger jede Chance zu nutzen, dasSchweigen des Angeklagten zu brechen», sagt der Anwalt der Eltern.