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Niedersachsen Niedersachsen: Busunternehmer steht wegen schweren Unfalls vor Gericht

Von André Jahnke und Birgit Zimmermann 26.09.2006, 06:07
Helfer stehen am 17. März 2003 hinter dem Wrack des verunglückten Busses auf der A6 bei Lyon in Frankreich, in dem 28 Menschen starben. (Foto: dpa)
Helfer stehen am 17. März 2003 hinter dem Wrack des verunglückten Busses auf der A6 bei Lyon in Frankreich, in dem 28 Menschen starben. (Foto: dpa) SIPA

Hannover/dpa. - Angeklagtist ein 42 Jahre alter Busunternehmer aus dem niedersächsischenWunstorf bei Hannover. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, alsfaktischer Geschäftsführer der Firma «Tiger-Bus-Reisen» im Mai 2003einen überarbeiteten Fahrer für die Tour nach Spanien eingesetzt zuhaben.

«Der Fahrer fiel nach 44-stündiger Tätigkeit völlig übermüdet ineinen Sekundenschlaf und verlor die Kontrolle über den Doppeldecker»,sagte Anklagevertreter Kai Stumpe. Der Bus hatte nahe derfranzösischen Stadt ein Brückengeländer durchbrochen und sichmehrfach überschlagen. 28 deutsche Urlauber starben, 46 wurden zumTeil schwer verletzt.

Das Gericht hat für den Prozess zunächst 13 Verhandlungstageangesetzt und 45 Zeugen geladen. Bevor das dramatische Geschehenwenige Kilometer vor Lyon geklärt werden kann, wollen die Richterherausfinden, welche Rolle der 42-Jährige in der Firma spielte.Offiziell war der Unglücksfahrer, der bei dem Unfall getötet wurde,der Chef des Unternehmens. Der Angeklagte aber soll sichhauptsächlich um die Büroarbeit gekümmert haben. «Ich habe mitSicherheit dem ein oder anderen Fahrer einen Auftrag erteilt. Da willich mich gar nicht von freisprechen», räumte der 42-Jährige ein. DieDienstpläne für die Unglücksfahrt habe aber ein anderen Kollegegemacht, «ich nicht».

Den Angeklagten verband mit dem 15 Jahre älteren Busfahrer undFirmenchef eine lange Freundschaft. «Er war ein Idol für mich. Ichhab bei ihm auf dem Schoß gesessen und das Busfahren gelernt»,erzählte der 42-Jährige, der den Mann schon aus der Firma seinesVaters kannte. Als er mit seinem eigenen Unternehmen 1997 Pleiteging, sei der Fahrer eingesprungen, habe «Tiger-Bus-Reisen» gegründetund ihn beschäftigt.

Bei dem Versuch, das Geflecht aus persönlichen und geschäftlichenBeziehungen zwischen dem Angeklagten und dem Unglücksfahrer zuentwirren, sind die Richter auf Zeugenaussagen angewiesen. DieLebensgefährtin des zum Unglückszeitpunkt 53 Jahre altenFirmeninhabers beschrieb ihn als leidenschaftlichen Busfahrer undMechaniker. «Er hat sich am liebsten schmutzige Hände gemacht. Er warder Schrauber, und ansonsten ist er gefahren.» Mit der Büroarbeithabe er weniger am Hut gehabt. Allerdings, ergänzte die 43-Jährige,habe sie eher wenig Einblick in die Firma gehabt.

«In der Nacht vor dem Unfall habe ich ihm noch eine Gute Nachtgewünscht», schilderte die Frau eins ihrer letzten Telefonate mitihrem Lebenspartner unter Tränen. Wenige Stunden später verlor ihrFreund die Kontrolle über das zwölf Meter lange Fahrzeug. DieZeugenvernehmung hatte ihr das Unglück noch einmal in seiner gesamtenBrutalität vor Augen geführt. «Ich habe mit mehr als 30 Jahren nocheinmal eine Teenagerliebe erfahren dürfen. Der Unfall hat alleszerstört», sagte die verzweifelte Frau.

Für die Verteidigerin des 42-Jährigen steht fest, dass ihr Mandantfür die Todesfahrt und die Einteilung der Fahrer nicht verantwortlichwar. Außerdem bezweifelt sie, dass der Unfall tatsächlich durch einenSekundenschlaf des Fahrers ausgelöst wurde. Sie will beweisen, dassder Bus auf der Autobahn abgedrängt wurde und sich deshalbüberschlug.