1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. MZ im Gespräch mit Heidi Foth: MZ im Gespräch mit Heidi Foth: «Die Angst ist nachvollziehbar»

MZ im Gespräch mit Heidi Foth MZ im Gespräch mit Heidi Foth: «Die Angst ist nachvollziehbar»

28.02.2003, 18:10

Halle/MZ. - Ein Thema erhitzt derzeit bei vielen Verbrauchern die Gemüter: Der Giftstoff Acrylamid, der auch in Lebensmitteln aufgetaucht ist und in hohen Konzentrationen auch Krebs erregend sein soll. Doch die Forscher schwanken zwischen Alarmbereitschaft und Entwarnung. Unser Redakteur Jürgen Badstübner sprach mit Professor Heidi Foth, Toxikologin an der Martin-Luther-Universität in Halle.

Ist die Angst der Verbraucher berechtigt?

Foth: Wenn Giftstoffe in Lebensmitteln nachgewiesen werden, reagieren die Verbraucher natürlich immer sehr empfindlich. Also ist die Angst schon nachvollziehbar. Wie gefährlich dieser Stoff für den Menschen ist, ist noch gar nicht abzusehen. Acrylamid ist ein schwieriges Problem, mit dem wir es im Lebensmittelbereich zu tun haben.

Gesundheitsexperten warnen besonders vor Pommes und Chips. Sollen wir weniger davon essen?

Foth: Natürlich, so schützt man sich am besten. Und die fettigen Pommes sollten sowieso, besonders bei Kindern, nicht zur Lieblingsspeise gehören. Vielseitige Ernährung, viel Obst und Gemüse, und ein niedriger Fettgehalt in den Speisen ist das A und O, um Krankheiten vorzubeugen.

Können Lebensmittelhersteller dazu beitragen, die Entstehung des Giftstoffs Acrylamid zu minimieren?

Foth: Das können sie sogar in hohem Maße. In dem sie ihre Verfahren im Hinblick auf die Bildung von Acrylamid überprüfen oder sogar ändern. Hochbelastete Produkte sollten erst gar nicht in den Verkauf kommen.

Wissenschaftler wissen bisher nur, dass Acrylamid bei Ratten Krebs auslöst. Lässt sich das überhaupt auf den Menschen übertragen?

Foth: Man muss sehr vorsichtig sein, nach Tierversuchen sofort Vergleiche mit dem Menschen anzustellen. Bei den Versuchsratten wurden sehr hohe Acrylamid-Dosierungen verabreicht, die schließlich zu den Krebs-Tumoren führten. Welcher Wirkungsmechanismus beim Menschen abläuft, wissen wir noch nicht. Bei langjährigen Untersuchungen von Industriearbeitern, die täglich mit Acrylamid zu tun haben - zum Beispiel bei Kunststoffprozessen - gibt es jedoch bei Krebs Entwarnung.

Acrylamid soll auch das Nervensystem schädigen.

Foth: Das stimmt. Weltweit wurde bislang über 150 Arbeitsunfälle berichtet, bei denen es Nervenschädigungen gab. Darunter sind Länder wie Japan, Großbritannien und Frankreich. Hierbei handelt es sich um Industriearbeiter, die zu hohen Dosierungen ausgesetzt waren und die Substanz über die Lunge aufnahmen. In der Industrie gibt es jejetzt sehr viele Sicherheitsvorkehrungen, die solchen Gesundheitsschäden vorbeugen.

Sind Ihnen Krankheitsfälle aus Halle oder der Umgebung bekannt?

Foth: Nein. In Buna wurde zwar zu DDR-Zeiten mit Acrylamid gearbeitet, Krankheitsfälle gab es meines Wissens aber nicht.