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Kirchenaustritt nach 84 Jahren Kirchenaustritt nach 84 Jahren: Oma protestiert gegen Homophobie in der Kirche

15.04.2015, 12:26

Köln - Ihr ganzes Leben lang war die 84-jährige Großmutter Marie Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche. Doch als Pastor Gero Cochlovius in der NDR-Sendung „Panorama“ mit homophoben Äußerungen auffiel, zog sie die Reißleine. Sie sah ihre beiden homosexuellen Enkelkinder diskriminiert und entschied sich kurzerhand, aus der Kirche auszutreten. Um ihrem Protest den entsprechenden Nachdruck zu verleihen, verfasste Marie auch einen Brief an ihre Kirchengemeinde - den ihr Enkel Kim jetzt bei Facebook veröffentlicht hat.

In dem Brief, der von der Seite der Organisation „Enough is Enough“ gepostet wurde, zeigt sie sich traurig über die Worte von Cochlovius, wonach ausgelebte Homosexualität eine Sünde im Sinne der Bibel sei. „Sie verdeutlichen ein komplett anderes Verständnis von Liebe und Partnerschaft als ich es mit meiner christlichen Überzeugung sehe“, so Marie. Und weiter: „Homosexuelle als Sünder zu bezeichnen und 'Heilung' anzubieten ist unverantwortlich. Gerade junge, unsichere Menschen, die keinen grenzenlosen Rückhalt ihrer Familie genießen, werden durch solche Aussagen auf einen brandgefährlichen Weg gebracht.“

Reaktionen im Internet

Der Brief fand in der digitalen Welt großen Anklang und wurde bereits mehrere tausend Mal geteilt. Auch gibt es bereits zahlreiche Kommentare:

„Ich bin nebenberuflicher Mitarbeiter der evangelischen Kirche. Herr Cochlovius sollte sich beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart mal mit den Schwulen- und Lesbenbewegungen in den Kirchen unterhalten anstatt andere Menschen auszugrenzen. Und lieber Kim, deine Oma hat meinen Respekt.“ (Frank Lindenthal)

Neben viel Zuspruch finden sich aber durchaus auch kritische Meinungen zu der konsequenten Maßnahme:

„Das Problem ist: Wenn alle vernunftbegabten Menschen die Kirche verlassen und die Hardliner drin bleiben, radikalisiert sich die Institution. Wenn man wirklich etwas bewegen will, muss man sich als aktives Mitglied einbringen.“ (Nils Kramar)

„Ich finde das eher kontraproduktiv und leider auch ein bisschen populistisch. Die evangelische Kirche in Deutschland ist mehrheitlich tolerant und offen. Aber sie ist eben nicht so streng zentralistisch wie die katholische Kirche, sodass es auch reaktionäre Strömungen gibt, die im Widerspruch zur allgemeinen Linie stehen. Wäre es da nicht intelligenter und verantwortungsvoller, in der Kirche zu bleiben, um dort der Toleranz mehr Gewicht zu geben?“ (Karsten Banasiak)

In jedem Fall hat Oma Marie mit ihrem offenen Brief ein Zeichen gesetzt und der Überzeugung Ausdruck verliehen: „Wenn Menschen glücklich sind, sich lieben und sich um ihre Nächsten kümmern, dann kann es keine Sünde sein.“ (red)