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Interview Günther Jauch und Thea Sihler: Wieso sich ihr Wein trotz ihrer Popularität nicht von alleine verkauft

17.06.2016, 15:36
Auf Günther Jauchs Weingut von Othegraven entstehen Top-Rieslinge. Am Wochenende baut der Winzer Jauch seinen STand auf einer Weinmesse in Delitzsch auf.
Auf Günther Jauchs Weingut von Othegraven entstehen Top-Rieslinge. Am Wochenende baut der Winzer Jauch seinen STand auf einer Weinmesse in Delitzsch auf. Stefan Worring

Halle (Saale) - Was verbindet Günther Jauch und Thea Sihler mit Wein? Welche Rolle spielt das Genießen in ihrem Leben? Auskunft darüber gab das Paar dem Journalisten Joachim Frank, der Gastro-Expertin Maria Dohmen und Romana Echensperger, die eine der höchsten Auszeichnungen für Sommeliers trägt: „Master of Wine“.

Als Sie 2010 das Weingut von Othegraven übernommen haben, das einmal Ihren Vorfahren gehört hatte, galt es als ziemlich abgewirtschaftet.
Jauch: Das Gut hat seinen wirklich romantischen Zauber in und nach schwierigen Zeiten immer bewahrt. Das Anwesen war 1925 abgebrannt und wurde 1945 in den letzten Kriegstagen durch Artilleriebeschuss der Amerikaner fast völlig zerstört. Meine Großtante Maria, die Arme, hat bis zum Wiederaufbau über Jahre in einer Art Austraghäusl hinten im Garten gehaust. Alles, was hier wie 19. Jahrhundert anmutet und nach französischem Schlösschen aussieht, ist in Wahrheit Baujahr 1954. Trotzdem ist alles denkmalgeschützt.

Wie oft sind Sie denn hier?
Jauch: Seit ich meine Sonntagabend-Sendung los bin, immer öfter.
Sihler: Allerdings sind wir eben auch viel unterwegs - auf Weinmessen und Präsentationen in der Gastronomie. Das ist sehr zeitaufwendig, aber für den Verkauf unerlässlich. Würden wir es nicht selber machen, müssten wir jemanden einstellen.
Jauch: Klassisches Klinkenputzen!

Tatsächlich begegnet man Ihnen regelmäßig auf einschlägigen Winzer-Events. Und immer ist Ihr Stand von Fans belagert. Haben Sie noch nicht genug von den Selfies?
Jauch: Ach, eigentlich bin ich da entspannt. Ich hätte es allerdings nicht für möglich gehalten, wie viele Weinprinzessinnen und Weinköniginnen es so gibt. Jedes Dorf hat seine eigene, und alle machen sie einem ihre Aufwartung. Majestäten-Auftrieb! Manchmal führt der Rummel dazu, dass Kunden, auf die es ankäme, nicht mehr bis zu uns vordringen. Insofern ist meine Präsenz nicht unbedingt verkaufsförderlich.

Aber die Marke profitiert schon sehr stark von Ihrem Namen. Womöglich bis hin zu den Preisen?
Jauch: Da erliegen Sie einem Marketing-Klischee. Nach der Übernahme des Guts bekamen wir ernsthaft Vorschläge, wir sollten den Namen als erstes mal in „Jauch“ ändern, dann noch ein „Wer wird Millionär?“-Siegel auf die Flaschen pappen, und schon werde sich der Wein wie von selbst verkaufen. Das Einzige, was daran stimmt, ist ein Neugier-Effekt: „Jetzt wollen wir doch mal sehen, was dieser Jauch-Wein taugt . . .“ Das hat sich aber sofort erledigt, wenn er den Leuten nicht schmeckt. Niemand kauft mir zuliebe unseren Wein. Im Gegenteil! Es ist gar nicht so selten, dass Kunden im Fachgeschäft stehen und sagen: „Wie? Der Jauch macht jetzt auch in Wein? Und was soll diese Flasche kosten, bitte? Also ne, der verdient beim Fernsehen doch genug!“

Hätten Sie das Gut denn auch ohne die familiäre Verbindung gekauft?
Jauch: Auf keinen Fall. Es gibt zwar, was Wein betrifft, eine spezielle Besitz-Erotik, besonders bei Männern. „Herrn X gehört ein Weingut“, das hat schon einen anderen Appeal als „er hat 'ne Sockenfabrik gekauft“. Nach dem Tod meines Großonkels Max vor fast einem halben Jahrhundert ging der Kontakt aber leider verloren. Bis ich dann eines Tages per Zufall davon hörte, dass das Gut zum Verkauf stehe.
Sihler: Du hast dann noch in derselben Nacht einen Brief an die Besitzerin geschrieben, die von deiner Großtante als Erbin eingesetzt worden war. Und hast gefragt, ob das mit dem Verkauf denn stimme und falls ja, ob ihr mal miteinander reden solltet. So nahm das Ganze seinen Lauf.
Jauch: Ich kam nach Jahrzehnten wieder zurück nach Kanzem. Alles war wie damals, komplett unverändert. Ein echtes Déjà-vu. Da hat es „Klick“ gemacht, und ich wollte unbedingt verhindern, dass dieses Stück Familiengeschichte und der Ort meiner Jugend in fremde Hände gelangen würde. Solche Betriebe werden nach dem Verkauf gerne zerschlagen: Die Weinberge verkauft, die Immobilie dann getrennt angeboten, und für Traktor und VW-Bus gibt es schließlich auch noch ein paar Euro.

Die Quote des Weinanbaus

Was hat Sie nach dem Kauf des Weinguts am meisten bereichert?
Jauch: Schöne Frage! Vielleicht der Kontrast zum Großstadt-Betrieb und dieser „Immer schnell, immer aktuell, immer gut drauf“-Existenz eines Fernsehmenschen. Hier ist das Lebensgefühl ein völlig anderes. Sie müssen auch hart arbeiten, immer auf dem Quivive sein. Aber es sind andere Rhythmen, andere Abhängigkeiten - von der Natur, vom Wetter, von der Reife des Weins im Keller, auf die Sie eben nur bedingt Einfluss haben. Und noch etwas ist anders: Beim Fernsehen gibt es am Tag nach jeder Sendung die Quote. Gut gelaufen, schlecht gelaufen? Egal! Mund abputzen, weitermachen. Als Winzer hingegen bekomme ich, wenn ich so lange leben sollte, nur noch 20, vielleicht 25 Mal die Quote - bei der Lese, bald darauf im Keller und dann vielleicht noch mal beim Verkauf eines neuen Jahrgangs.

Wie sehr ist Wein für Sie auch ökonomisch Ihr Geschäft geworden?
Jauch: Es muss - zumindest operativ - funktionieren. Denn selbst wenn Sie wirtschaftlich nicht davon abhängig sind, geht einfach die Freude flöten, wenn Sie chronisch defizitär arbeiten. Und irgendwann muss ja auch jemand willens und in der Lage sein, die Tradition fortzusetzen.

Sie haben für 2016 die Gewinnzone angepeilt. Sie schreiben also noch rote Zahlen?
Jauch: Ich rede nicht konkret über Betriebsergebnisse. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir hier einen Investitionsstau von vier bis fünf Jahrzehnten vorgefunden haben. Das wussten wir, da mussten wir richtig ran. Inzwischen sehen wir Licht am Ende des Tunnels.
Sihler: Und wir mussten die passende Größe für einen überlebensfähigen Betrieb finden. Zehn Hektar waren zu klein, 25 Hektar wären zu groß. Jetzt haben wir uns durch Zukäufe auf 16 Hektar vergrößert, auch ein neues Flaschenlager gebaut. Aber in unseren Kellern ist bei 120 000 Litern Schluss.

Es heißt, Sie seien persönlich durchaus für restsüße Weine zu haben.
Sihler: Wir stellen einen Trend in diese Richtung fest. Als wir angefangen haben, lag die Verteilung von trocken und restsüß bei 85 zu 15, heute ist das Verhältnis 70 zu 30. Und die Tendenz bei den restsüßen Prädikatsweinen zeigt eindeutig nach oben. Aber es ist noch immer so, dass man die Leute gezielt heranführen muss: Probieren Sie doch mal einen feinherben Wein!
Jauch: Es ist seltsam. So sehr die Leute heute beim Essen auf Individualität und persönliche Vorlieben Wert legen, so mainstreamig verhalten sie sich beim Wein. Sie machen sich abhängig von einer vermeintlichen gesellschaftlichen Akzeptanz und rufen reflexhaft: „Für mich aber nur einen Trockenen!“. Als hätten sie Angst, sich mit feinherb zu blamieren. Obwohl ihnen feinherb oft sogar besser schmeckt.
Sihler: Bei Weinproben stellen wir immer wieder fest, dass von den Spätlesen und den Auslesen am wenigsten übrig bleibt. Die fruchtigen Kabinettweine sind ohnehin unsere Renner und am schnellsten ausverkauft. Trotzdem geben die Leute nicht gern zu, dass sie gerade diese Weine mögen.
Jauch: Und dann gibt es noch die vermeintlichen Kenner, die vor dem ersten Schluck nach Restzucker- und Säurewerten fragen. Mit diesen „Analysewert-Trinkern“ spiele ich gern Restzucker-Bingo.

Das heißt, sie sollen sagen, wie viel Gramm Zucker pro Liter im Wein ist?
Jauch: Genau. Meistens liegen sie um Längen daneben, weil die Restsüße bei gutem Riesling durch die Säure so schön abgepuffert ist.

"Wein ist selbsterklärend"

Das erklären Sie dann auch so?
Jauch: Sagen Sie um Himmels willen nicht „erklären“! Man „erklärt“ keinen Wein, hat mir mein Kellermeister beigebracht. Wein ist selbsterklärend. Ich kann dem etwas abgewinnen, weil ich den Weinkenner-Assoziationen, die bei „Aprikose“ anfangen und bei „ein Hauch von durchgerittenem Damensattel“ enden, auch nicht immer folgen kann.

Ihr erstes Aha-Erlebnis mit Wein?
Jauch: Als Bergsteiger Reinhold Messner alle 14 Achttausender bezwungen hatte, gab es eine Sonderausgabe des „Aktuellen Sportstudios“ aus Südtirol, die ich moderieren durfte. Bei der Gelegenheit haben die Einheimischen uns nicht nur beste Südtiroler Küche geboten, sondern auch tolle Weine serviert.
Sihler: Das war eine ganz neue Welt für uns. Italien war kulinarisch für uns bis dahin eher das Pizza-Pasta-Asti-Archipel. Wein spielte in unserem Leben keine große Rolle. Die eigentliche Wende kam dann aber erst mit dem Kauf des Guts.

Mit den Pizza-Pasta-Asti-Kunden haben Sie es seitdem wahrscheinlich auch nicht mehr so, weil Ihre Weine denen einfach zu teuer sind, oder?
Sihler: Die leidige Diskussion, was ein Wein kosten darf . . . Ich finde, es spricht überhaupt nichts dagegen, wenn jemand sagt, ich gebe nicht mehr als fünf Euro für eine Flasche aus. Das wird sicher kein Spitzenwein sein, muss es aber auch nicht. Nur können wir aus unseren Steillagen keinen Wein für fünf Euro anbieten, wenn sich das Ganze rechnen soll. Dafür führt die ausschließliche Handlese in den extremen Steillagen aber eben auch zu einer großen Selektionstiefe und damit zu einer Qualität, die sich wirklich schmecken lässt.

Wie steht's bei Ihnen denn mit Rotwein?
Jauch: Ach, für deutschen Spätburgunder kann ich mich inzwischen erwärmen.

Am 18. Juni findet in den Weinhallen und auf dem Festgelände der ebrosia GmbH Delitzsch, Wilhelm-Conrad-Röntgen-Straße 2, ein Weinfest mit Hausmesse statt. Auch Günther Jauch ist als Winzer angekündigt. Eintritt 15 Euro. (mz)

Weitere Informationen im Netz: www.vinival.info

Thea Sihler, Günther Jauchs Ehefrau
Thea Sihler, Günther Jauchs Ehefrau
Stefan Worring
2014er Riesling vom Weingut von Othegraven
2014er Riesling vom Weingut von Othegraven
Stefan Worring