Ermittler suchen nach Hinweisen Ermittler suchen nach Hinweisen : Klinkenputzen nach Brandanschlag in Tröglitz

Tröglitz - Hildegard Stehfest hat eigentlich etwas anderes zu tun, als mit Reportern zu reden. Sie muss zum Altglascontainer und dann in die Kaufhalle, Brot holen. Aber als sie die Frage hört, bleibt die alte Dame dann doch stehen: Einwohnerbefragung? Durch die Polizei? „Hab ich noch nichts von gehört“, sagt sie. Und, verschmitzt lächelnd: „Sollen sie ruhig kommen. Ich habe ja nichts zu verbergen.“ Hildegard Stehfest, 77, wird den Beamten dann erzählen, dass sie sowieso nichts mitbekommen hat von dem Brandanschlag auf die Tröglitzer Asylunterkunft in der Nacht zum Ostersamstag. „Ich habe geschlafen, zum Glück.“
Die Rentnerin reagiert so wie viele im Ort auf die Befragungsaktion der Ermittler: gelassen. „Ich wohne weit weg von dem Haus, ich habe in der Nacht nur die Sirenen gehört“, sagt eine Frau, die ihre Enkelin aus der Grundschule abholt. Für die Befragungen hat sie Verständnis, auch wenn sie keine Hinweise wird beisteuern können, wie sie sagt. „Natürlich muss das schnell aufgeklärt werden.“
Das hofft auch ein älteres Ehepaar. Die Polizeiaktion sei richtig, meint sie: „Man muss alles versuchen.“ Dennoch bleibt sie skeptisch. Manche, die tatsächlich Hinweise geben könnten, würden wohl lieber schweigen – aus Angst vor Racheakten der mutmaßlichen Täter. Schließlich sei es möglich, dass sie später in einem Gerichtsprozess als Zeugen aussagen müssten. „Ich hätte jedenfalls Angst.“
Jürgen Metzsch, unterwegs mit seinem Enkel, glaubt aus einem anderen Grund nicht an einen Erfolg der Befragungen. „Der Anschlag hat sich nachts abgespielt, da wird wohl niemand überhaupt etwas gesehen haben“, meint er. Und die Täter seien doch längst abgetaucht.
Die Ermittler setzen trotzdem auf Hinweise aus der Bürgerschaft. Aus ihrer Sicht kann jede Kleinigkeit wichtig sein. „Wenn jemand etwas mitbekommen hat in der Brandnacht, sind die Eindrücke jetzt noch frisch. Deshalb müssen wir diese Informationen so schnell wie möglich bekommen, auch wenn sie auf den ersten Blick vielleicht unbedeutend erscheinen mögen“, sagt Andreas von Koß, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA).
Die Behörden betreiben einen enormen Aufwand. Nach MZ-Informationen sollen an den Befragungen bis zu 20 Beamte beteiligt sein, darunter Mitarbeiter der eigens gegründeten Ermittlungsgruppe „Kanister“ sowie Beamte der Landesbereitschaftspolizei und anderer Polizeidienststellen. Von Koß spricht von einem „regelrechten Klinkenputzen“. „Das kann sich über mehrere Tage hinziehen.“ Jedem Hinweis müsse gesondert nachgegangen werden, gegebenenfalls müssten weitere Befragungen folgen.
Zeitgleich werden im Landeskriminalamt in Magdeburg die in der Asylunterkunft sichergestellten Kanister auf Spuren untersucht. Aus den Behältern war eine brennbare Flüssigkeit in dem Haus ausgekippt worden. „Die eine heiße Spur gibt es aber noch nicht“, sagt von Koß. Es gebe nach wie vor auch noch „keine 100prozentige Sicherheit“, dass der oder die Brandstifter aus dem rechtsextremen Spektrum kommen. „Noch gilt: Wir ermitteln in alle Richtungen.“
In Tröglitz wächst derweil die Sorge, dass der Ort dauerhaft nicht zur Ruhe kommt. Sie habe Angst, dass die Flüchtlinge hier nicht sicher werden leben können, sagt eine Rentnerin. Die Verunsicherung ist groß, auch wenn die Frau beteuert, dass sie sich selbst eigentlich sicher fühlt.
Man dürfe jetzt nicht aufgeben, findet Jörg Heinold. Er ist Sektionsleiter Fußball beim TSV Tröglitz, der den Asylbewerbern anbieten will, im Verein mitzumachen - Integration durch Sport, das ist die Idee. Am Dienstagabend haben sie zusammengesessen im Vorstand, natürlich war der Anschlag ein Thema. Sie waren sich einig: Das Angebot gilt weiter, jetzt erst recht. „Unsere Hand bleibt ausgestreckt“, sagt Heinold. (dpa)
