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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 14. März 2024 Roboter im Otto-Versandzentrum: Wie sich Arbeit radikal ändern wird

Weitere Themen: 72 Prozent Ökostrom im ostdeutschen Netz / Traditionsreiche Speditionen pleite / Oerlikon schließt Werk / Russen zahlen Flieger-Parkgebühr

14.03.2024, 09:00
MZ-Wirtschaftsnewsletter
MZ-Wirtschaftsnewsletter Foto: Andreas Stedtler

in dieser Woche habe ich ein Stück Zukunft der Arbeitswelt in Sachsen-Anhalt gesehen. Das große Hermes-Versandzentrum in Haldensleben nördlich von Magdeburg, das zum Handelskonzern Otto gehört, testet aktuell Roboter, die den Paketversand deutlich beschleunigen und auch menschliche Arbeitskräfte in größerem Umfang ersetzen könnten.

In einer Versandhalle begrüßt einen zuerst der vierbeinige, autonome Roboter-Hund „Spot“ des US-Roboter-Herstellers Boston Dynamics. Nach Angaben von Betriebsleiter Stefan Nießen wird der Roboter-Hund bereits auf dem über 460.000 Quadratmeter großen Gelände von Hermes Fulfilment genutzt, um sogenannte Technik-Tunnel zu kontrollieren. Spot besitzt neben Kameras unter anderem Gas-Detektoren und kann Wärmebilder erstellen. So sollen zum Beispiel mögliche Lecks frühzeitig erkannt werden.

Der vierbeinige, autonome Roboter-Hund „Spot“ unternimmt Kontrollgänge im Technik-Tunnel.
Der vierbeinige, autonome Roboter-Hund „Spot“ unternimmt Kontrollgänge im Technik-Tunnel.
Foto: Höhne

Weit größere Auswirkungen auf die Arbeit im Versandzentrum mit derzeit rund 4.300 Mitarbeitern wird jedoch ein KI-Robotersystem des US-Herstellers Covariant haben. Mittels eines Druckluft-Systems nimmt ein Robotersystem in Folien verpackte T-Shirts, Hosen oder Jacken aus einer Kiste und legt sie auf ein Förderband. Anschließend wird die Kleidung von einer Verpackungsmaschine in einen Versandbeutel eingeschweißt. Das sieht im Grunde nicht so anspruchsvoll aus.

Das Besondere: Der Roboter lernt mittels Künstlicher Intelligenz über Videomaterial, wie er die unterschiedlichen Kleidungsstücke aufnehmen muss. „Vor drei bis vier Jahren stand solche Technik für Artikel dieses Sortiments noch nicht zur Verfügung“, erläutert Nießen. Aktuell testet die Otto-Tochter Hermes Fulfilment die Systeme mit einer Pilotstation. Ab dem kommenden Jahr sollen sie im Regelbetrieb eingesetzt werden.

Bisher erledigt ein Mitarbeiter die beiden Arbeitsschritte: Artikel aus der Wanne aufnehmen und in eine Versandtüte stecken. Im neuen System sind diese zwischen dem Covariant-System und der Verpackungsmaschine aufgeteilt. Zu welchen Effizienzgewinnen das führt und in welchem Ausmaß dadurch Mitarbeiter ersetzt werden, dazu werde ich demnächst ausführlich in der MZ berichten.

Die Entwicklung der Technik verläuft rasant. Vor wenigen Wochen stellte das US-Startup Figure AI seinen neuen humanoiden Roboter vor. In einem Youtube-Video wird gezeigt, wie der Roboter Figure 01 eine Kaffeekapsel in einen Automaten steckt und auf den Startknopf drückt. Spektakulär daran ist, dass der KI-Roboter diese Tätigkeit innerhalb von nur zehn Stunden gelernt haben soll, indem er sich Videos zur Bedienung des Automaten angeschaut hat.

Die großen US-Tech-Giganten sind jedenfalls begeistert. Vor wenigen Tagen investierten unter anderem Microsoft, OpenAI und Amazon 675 Millionen US-Dollar in das Start-up. Von solchen Summen können deutsche Roboter-Startups nur träumen. Chancenlos sind sie aber nicht: Das Dresdner Start-up Wandelbots beispielsweise hat auch bereits mehr als 100 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt, um eine Software zu entwickeln, um Robotern möglichst einfach neue Dinge beizubringen.

Betriebsleiter Stefan Nießen zeigt auf den neuen KI-Roboter von Covariant, der Keidung auf ein Förderband legt.
Betriebsleiter Stefan Nießen zeigt auf den neuen KI-Roboter von Covariant, der Keidung auf ein Förderband legt.
Foto: Höhne

Gerade mit dem Blick auf den Fachkräftemangel sind diese Entwicklungen nicht zu unterschätzen: Hermes Fulfilment-Manager Nießen spricht darüber offen: „Die Jobprofile werden sich bei uns ändern.“ Tätigkeiten, die sehr auf Wiederholung beruhen oder körperlich anstrengend sind, würden abnehmen. „Stattdessen benötigen wir künftig Mitarbeitende, die Roboter-Systeme bedienen und warten können.“

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Bis nächste Woche. Herzlich, Steffen Höhne

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