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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 26. Juni 2025 Projektabsagen in Region Leipzig-Halle: Die Wasserstoff-Blase platzt

Weitere Themen: Boom bei Rechenzentren / Kirchen zu verkaufen / Haseloff erwartet Schließungen bei Dow / Ost-Konjunktur verbessert sich / Start-up Factory geplant

Aktualisiert: 26.06.2025, 10:26
Newsletter Wasserstoff
Newsletter Wasserstoff Imago/Imagebroker

der Stahlkonzern ArcelorMittal kündigte Ende vergangener Woche an, die Umstellung auf „grüne“ Stahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt in Brandenburg nicht weiterzuverfolgen. Gemeint ist der Umstieg von Kohle als Energiequelle auf Wasserstoff, der künftig aus erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Solarstrom gewonnen wird. Mit seiner Entscheidung verzichtet der Konzern auf mehr als eine Milliarde staatliche Fördergelder.

Für die Landes- und Bundespolitik ist der Entschluss ein Rückschlag beim Umbau der Industrie. Die Stahlbranche ist einer der größten CO₂-Emittenten in Deutschland, ihr Umbau spielt eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaziele. Die Nachricht reiht sich jedoch ein, in eine Vielzahl von Absagen.

Das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt wird vorerst nicht auf grünen Wasserstoff umgerüstet.
Das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt wird vorerst nicht auf grünen Wasserstoff umgerüstet.
Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dp

Aus Kostengründen ziehen Investoren wie EnviaM, Mibrag oder HH2E in der Region Leipzig-Halle jetzt die Reißleine, viele Vorhaben werden aufgegeben oder zumindest auf Eis gelegt. So ist das 100-Millionen-Euro-Projekt „Green Bridge“ unter Federführung des regionalen Energieversorgers EnviaM gescheitert. Im Raum Bitterfeld sollten vier Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff gebaut werden, der über umgewidmete Erdgasleitungen unter anderem die Automobilwerke von Porsche und BMW in Leipzig versorgen sollte. Der Grund für das Aus: „Die einfache Antwort ist, es rechnet sich nicht“, sagt Stephan Lowis, Vorstandschef von EnviaM. Wie die Kostensituation aussieht, habe ich in einem Beitrag beschrieben.

Ein wesentlicher Grund für den Stopp der Projekte sind die hohen gesetzlichen Auflagen. So sprach der frühere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) immer davon, dass grüner Wasserstoff mit Stromüberschüssen aus Erneuerbaren Energien erzeugt werden soll. Rechtlich ist das aber gar nicht möglich.

Sehr viele Projekte in der Region Leipzig/Halle werden verschoben oder sind gescheitert.
Sehr viele Projekte in der Region Leipzig/Halle werden verschoben oder sind gescheitert.
Grafik: Büttner

So darf der Strom für die Elektrolyseure laut Lowis nur aus eigens dafür errichteten Erneuerbare-Energien-Anlagen bezogen werden. „Im ostdeutschen Energiesystem gibt es hohe Stromüberschüsse, die aber nicht für neue Elektrolyseure genutzt werden dürfen. Das ist absurd“, so Lowis. Auch die Unterscheidung in grünen, blauen (CO₂-Abtrennung) und grauen (auf Erdgasbasis) Wasserstoff hält er aktuell für nicht sinnvoll. „Wichtig ist, dass wir das Wasserstoffsystem erst einmal zum Laufen bekommen.“

Da spricht der Praktiker. Warum Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD), ein bekennender Unterstützer des grünen Wasserstoffs, nicht gegen die staatlichen Auflagen Sturm läuft, ist rätselhaft. Doch es ist wie in vielen Bereichen der deutschen Wirtschaftspolitik: Es werden große Ziele gesetzt, doch die gesetzlichen und wirtschaftlichen Grundlagen, um diese zu erreichen, sind nicht gegeben.

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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

Weitere wichtige Wirtschaftsthemen aus Mitteldeutschland der Woche:

Boom bei Rechenzentren

Internationale Internet-Konzerne investieren kräftig in Künstliche Intelligenz und errichten dafür neue Datenzentren. Mitteldeutschland steht mit mehr als 60 Standortanfragen im Fokus. (MZ)

Ein großes Rechenzentrum für eine Discounter-Kette soll in Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz) entstehen.
Ein großes Rechenzentrum für eine Discounter-Kette soll in Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz) entstehen.
Foto: Schwarz Digits

Haseloff gibt Dow-Anlagen auf

Seit April droht einigen Anlagen des Chemiekonzerns Dow in Böhlen und Schkopau die Schließung. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff scheint wenig Hoffnungen zu haben, die noch abzuwenden. Für ihn geht es jetzt um Szenarien ohne den Cracker. (MZ)

Blick auf Dow-Anlagen am sächsischen Standort in Böhlen.
Blick auf Dow-Anlagen am sächsischen Standort in Böhlen.
Foto: Jan Woitas/dpa

Kirchen zu verkaufen

Weil ihr Unterhalt teuer ist und die Zahl der Gläubigen sinkt, trennen sich viele Gemeinden in Sachsen-Anhalt von ihren Kirchen, Kapellen und Pfarrhäusern. Der Abschied ist oft emotional – die Umnutzung aber birgt neue Chancen. (MZ)

Die Friedenskirche in Bitterfeld-Wolfen wurde 2021 entwidmet.
Die Friedenskirche in Bitterfeld-Wolfen wurde 2021 entwidmet.
Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbil

Arbeiter flüchten vor Zoll-Beamten

In Sachsen-Anhalt wurden im Rahmen einer bundesweiten Aktion gegen Schwarzarbeit 18 Baustellen vom Zoll kontrolliert. Etlichen Ausländern fehlt die Arbeitserlaubnis. In Merseburg wollten die Beschäftigten sogar türmen. (MZ)

Großer Batteriespeicher geplant

Batteriespeicher boomen. In Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt soll sogar der größte dieser Art in Deutschland entstehen. Hier zeigt sich, wie das Land um die neue Technik ringt – hin- und hergerissen zwischen Offenheit und Bedenken. (VS)

Konjunktur verbessert sich

Das Tal der Tränen ist offenbar durchschritten. Die Wissenschaftler vom Dresdner Ifo-Institut äußern sich verhalten optimistisch zur Konjunkturentwicklung im Osten. (MZ)

Bauern sind unzufrieden

Sinkende Getreidepreise machen den Landwirten in Sachsen zu schaffen. Seit Frühjahr würden die Getreidepreise laut Bauernverband nur noch den „Weg gen Süden“ kennen - also nach unten. (MZ)

Start-up-Factory geplant

Bekommt Mitteldeutschland eine Start-up-Factory? Drei junge Gründer setzen sich dafür ein – mit hochkarätiger Unterstützung. Die Ziele sind ambitioniert. Doch es gibt noch eine Hürde. (LVZ)

VW-Werk in Zwickau setzt auf Cupra

Bei VW im Stammwerk Wolfsburg werden Sonderschichten gefahren. Grund ist die starke Nachfrage nach dem Tiguan. Warum das in Zwickau aufhorchen lässt – und was das mit dem in Sachsen gebauten Cupra Born zu tun hat. (LVZ)

Im VW-Werk in Zwickau wurden im Dreischicht-Betrieb Fahrzeuge von Volkswagen, Audi und Seat gebaut. Doch wichtige Modelle mussten abgegeben werden.
Im VW-Werk in Zwickau wurden im Dreischicht-Betrieb Fahrzeuge von Volkswagen, Audi und Seat gebaut. Doch wichtige Modelle mussten abgegeben werden.
Foto: IMAGO/Uwe Meinhold

Thüringer wollen Minen entschärfen

Ein Thüringer Unternehmen will Minen in der Ukraine entschärfen. Dabei setzt es auf Drohnen und Künstliche Intelligenz. (MDR)