SLK: Die Woche im ganzen Salzland Warum einem das Lachen auch am 11.11. mal im Hals stecken bleibt
Lisa Fitz in Aschersleben, Phil Gallagher in Bernburg, eine besondere Familiengeschichte - und was sonst noch alles im Salzland passiert ist.

ich frage Sie mal ganz direkt: Haben Sie Vorurteile? Nein, nichts Böses. Nur gegen Rheinländer. Sollte das nämlich der Fall sein, hätte ich im wahrsten Sinne des Wortes absolute Narrenfreiheit. Denn diejenigen, die Vorurteile gegen Rheinländer haben, gehen fest davon aus, dass mindestens zweimal im Jahr die Zurechnungsfähigkeit bei Menschen mit unserer Herkunft kollektiv ausgeschlossen ist: an den Tagen zwischen Weiberfastnacht (ja, so heißt das da) und Aschermittwoch. Und genau heute, am 11. im 11., wenn die Session beginnt.
Ich muss mir also eigentlich gar keine Gedanken machen, was ich heute so daherschreibe. Einfach ans Ende jedes Satzes „dreimol Kölle Alaaf“ schreiben – ja, das sagt man da so – und alles ist ein Witz, der funktioniert. Glauben Sie mir, ich kenne von damals noch manchen Karnevalsredner persönlich: Die machen das nicht anders! Oder einen Tusch: tataa!
Wirklich witzig sein? Ob das so ist, merkt doch eh keiner mehr. Sagt zumindest das Vorurteil…
Schönes und Biest: Hauptsache lustig!
Erheblich schwerer, als wirklich witzig wahrgenommen zu werden, ist es da schon für Kabarettisten. So schwer, dass manche es sich einfacher machen wollen und das, was sie machen, einfach „Comedy“ nennen. Das ist dann leider nur allzu oft wie eine schlechte Karnevalsrede – nur ohne Alaaf.
Die, die es besser können – oder das zumindest für sich in Anspruch nehmen –, waren am vergangenen Wochenende wieder in Aschersleben zu Gast. Zum 18. Mal war die Stadt Gastgeber des Kabarettfestivals der Bundesvereinigung Kabarett. Stargast war Lisa Fitz, über deren Auftritt meine Kollegin Katrin Wurm berichtet hat.

Den dort verliehenen Kleinkunstpreis bekam Matthias Schwarzmüller, der in seinem Programm „Auge um Auge, Byte um Byte – Alexa geht zu weit“ im Ensemble „Die Schönen und das Biest“ dann beim Festival auch live im Großen Saal zu erleben war.
Das Schöne an dem Biest Kabarett? Hauptsache, wir haben wirklich was zu lachen. Machen wir trotz Karneval und Comedy immer noch viel zu selten. Tataa!
Macht Bahnfahren Spaß?
Gut lachen haben seit einiger Zeit auch Bahnfahrer – zumindest beim Preis. Wer sich ohnehin schon darauf eingelassen hat, mit dem Zug zur Arbeit zu pendeln, für den ist das Deutschland-Ticket eine wahre Freude. Quasi kostentechnisch Karneval das ganze Jahr über!

Aber wie schön ist das wirklich? Dem wollen wir im Salzlandkreis mit unserer Serie „Wer fährt denn schon Bahn?“ auf den Grund gehen. Doppeldeutig, genau: Fährt da wirklich schon jemand? Und: Warum nur? Meine Kollegin Anja Riske hat sich deshalb auf die Reise gemacht. Erster Halt: Aschersleben. Und bei aller Begeisterung für das Bahnfahren lässt sich danach schon feststellen: Wer so pendelt, hat nicht immer nur etwas zu lachen…
Wenn der Avnet-Chef selbst kommt
Ganz groß war hingegen die Freude in Bernburg am Donnerstag: Das US-Unternehmen Avnet feierte Richtfest auf der Baustelle für das neue Distributionszentrum am Autobahndreieck von A14 und A36. Meine Kollegin Katharina Thormann war dabei und hat tatsächlich auch den Avnet-Chef Phil Gallagher getroffen. Er ist der CEO des Großkonzerns, der extra dafür erstmals die Reise von Amerika über den großen Teich nach Bernburg auf sich genommen hatte. Dort unterstrich er die Bedeutung: „Das hier ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens.“

700 Arbeitsplätze sollen in den nächsten Jahren allein in Bernburg entstehen. Weil die nächsten Spatenstiche und Richtfeste vor allem etwas weiter nördlich bei Intel in Magdeburg schon ihre Schatten vorauswerfen, wähnt sich Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) schon auf der „Überholspur“.
Obwohl man ja naturgemäß bei allzu hohen Geschwindigkeiten dazu neigt, auf die Bremse zu treten – egal, ob im Auto oder bei der Euphorie –, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da einige in der Region gerade zurecht aus dem Lachen nicht herauskommen. Und selbst dem vorsichtigen Beobachter drängt sich der Verdacht auf, dass diese Pointe wirklich funktionieren könnte. Tataa, tataa, tataa!
Traurige Wahrheiten bei der Tafel
Trotzdem hat alles auch so seine Kehrseiten. Denn bei aller Vorfreude auf neue Arbeitsplätze wirken aktuell die Sorgen angesichts steigender Preise und immer mehr Armut in der Gesellschaft wesentlich stärker. Alles andere als ein Witz ist nämlich das, was die Tafeln in der Region nach wie vor erleben: Die Zahl der Menschen, die dort einkaufen, weil sie es aufgrund ihrer persönlichen finanziellen Lage tatsächlich auch dürfen, wird immer größer.

So wie in Calbe, wie mein Kollege Thomas Höfs berichtet, macht das die Situation für die Tafeln immer schwieriger. Auch weil auf der anderen Seite die Lebensmittelmärkte angesichts steigender Preise auch immer vorsichtiger kalkulieren, damit sie nicht so viel abgeben müssen, was sie eigentlich teuer verkaufen wollen. Ein ziemlich tödlicher Kreislauf. Und ein guter Grund, dass einem gerade jetzt im Winter sehr schnell jedes Lachen vergehen kann.
Lassen sich Barrieren ohne Vorschriften beseitigen?
Und selbst wenn genug Geld im Portemonnaie ist, kann das mit dem Einkaufen schwierig werden. In Staßfurt etwa: Dort ist die Steinstraße mit Cafés, kleinen Läden und der Nähe zum Benneck’schen Hof ein durchaus beliebtes Einkaufsziel. Doch viele Senioren und Menschen mit Behinderungen stehen buchstäblich vor einem Hindernis: Die meisten Geschäfte sind nur über Stufen zu erreichen. Von den mehr als 18 Geschäften sind weniger als die Hälfte ebenerdig angelegt.

Dabei seien die Händler in der Straße sehr hilfsbereit, wie meine Kollegin Lisa Kollien herausgefunden hat. Auch der Seniorenbeirat der Stadt hält Vorschriften deshalb für kontraproduktiv. Lieber appelliert er an Mithilfe aus der Bevölkerung – zum Beispiel, indem Hindernisse gemeldet werden, die andere vielleicht gar nicht wahrnehmen. Um gemeinsam eine Lösung zu finden. Ein guter Ansatz, finde ich.
Wie der tote Nachbar ein Paket annehmen kann
Denn einfach zu Hause zu bleiben und von da zu bestellen, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Zusteller liefern nämlich nicht immer so wie gewünscht, wie mein Kollege Stefan Demps aus Schönebeck berichtet.

Man erzählte ihm die Geschichte über ein Paket, das laut Paketdienst bei einem Nachbarn abgegeben worden sein sollte – aber der war da schon seit Jahren tot. Oder die Geschichte von den Paketen – auch mit Glas drin –, die auf den Balkon geworfen wurden oder die der Paketbote beim Nachbarn unter das Dach legte.
Eine Familiengeschichte mit Hindernissen
Dabei ist Post wichtig. Manchmal verfolgt sie einen ein Leben lang – und darüber hinaus. So wie die Briefe, die der frühere Bernburger Hugo Herzer an seine Familie in England schrieb. Die ihm aber nicht glauben wollte, dass er gar nicht hier in Bernburg, sondern in England geboren sei. Und ihn deshalb ignorierte – bis Candy Ballantyne am Sterbebett ihrer Tante von diesem ungelösten und mehr als 100 Jahre alten Familienrätsel erfahren hat.

Wie sie sich dann auf Spurensuche über das Schicksal des Halbbruders ihres Opas begeben hat, bis sie in Bernburg und Staßfurt das Geheimnis um dessen englische Herkunft mit der Konfirmationsurkunde, dieHerzer vor der Hochzeit mit der Staßfurterin Anna Löser einst vorlegen musste, tatsächlich lösen konnte, hat sie meiner Kollegin Katharina Thormann erzählt.
Eine schöne Geschichte, auch wenn es nichts zu lachen gibt. Eigentlich genau das Richtige für einen 11.11. ohne Klamauk – und fernab des Rheinlands.
Foto der Woche

Mein Foto der Woche hat dieses Mal meine Kollegin Regine Lotzmann geschossen. Nicht nur sie weiß, dass es derzeit die schönsten Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge gibt. Der gesamte Himmel ist dann – wie hier im Seeland-Ort Frose – für wenige Minuten in ein leuchtendes Orange oder ein feuriges Rot getaucht.
Doch das seien nicht die einzigen Himmelsspektakel, sagt sie. So könnten in den Nächten gerade Polarlichter beobachtet werden, hätten ihr Ascherslebens Sternfreunde berichtet.
Haben Sie auch gute Bilder entdeckt? Was ist Ihr Foto der Woche? Schicken Sie mir Ihre Meinung oder vielleicht sogar Ihr ganz eigenes Foto der Woche einfach per E-Mail.
Wohin am Wochenende?
Karneval feiern? Da gäbe es auch im Salzlandkreis heute genug Gelegenheit. Oder man besinnt sich einer anderen Tradition, die mit dem heutigen Tag ebenso verbunden ist – die Umzüge zum Martinstag. Aufgeregt sind deshalb zum Beispiel die fünf Mädchen und Jungen der Kinderkirche Peißen sind, die heute ab 16 Uhr in der Kirche St. Wenzel das Martinsspiel aufführen. Damit am Martinstag alles klappt, waren die Peißener sogar im „Trainingslager“…

Aber auch anderorts sind Veranstaltungen rund um St. Martin geplant. Nicht nur aber zum Beispiel auch anderswo rund um Bernburg: Die evangelische Martinsgemeinde Bernburg lädt heute zu einem Laternenumzug ab 17 Uhr vom Karlsplatz ein. In Preußlitz wird ab 18 Uhr mit einem St.-Martins-Stabpuppenspiel in der Kirche gefeiert. Danach startet um 18.30 Uhr am Denkmal der Fackelumzug.
Oder in Staßfurt: Da finden Umzüge ab 17 Uhr an der St.-Marien-Kirche und ab 18 Uhr an der Kirche Leopoldshall statt. In Atzendorf trifft man sich um 17 Uhr an der Kirche St. Eustachius zum Umzug.
Ob unterwegs mit St. Martin, woanders oder mitten in der echten Narretei: Ein bisschen Spaß sei für Sie am Wochenende auf jeden Fall mit dabei! Tataa, tataa, tataa!
Ihr vorurteilsfrei jecker
Frank Klemmer