1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Zugunglück: Zugunglück: Neue Sicherheitstechnik fehlt

Zugunglück Zugunglück: Neue Sicherheitstechnik fehlt

Von HENDRIK KRANERT-RYDZY 30.01.2011, 20:07
Bundespolizisten und Feuerwehrleute stehen am Sonntag in Hordorf bei Oschersleben nach dem Zusammenstoß eines privaten Harz-Elbe-Expresses (HEX) mit einem Güterzug am Samstag am völlig zerstörten Waggon der Regionalbahn. (FOTO: DAPD)
Bundespolizisten und Feuerwehrleute stehen am Sonntag in Hordorf bei Oschersleben nach dem Zusammenstoß eines privaten Harz-Elbe-Expresses (HEX) mit einem Güterzug am Samstag am völlig zerstörten Waggon der Regionalbahn. (FOTO: DAPD) dapd

MAGDEBURG/MZ. - Die Bahnstrecke zwischen Thale, Halberstadt und der Landeshauptstadt Magdeburg zählt zu den Gewinnern des Schienenpersonennahverkehrs im Land: In den vergangenen Jahren verzeichnete der Harz-Elbe-Express (Hex) stetig wachsende Fahrgastzahlen. Hex, der seit fünf Jahren auf dem Nordharz-Netz fährt, punktet vor allem mit Service gegenüber der Bahn: Die Wagen sind neu und sauber und mit einem Zugbegleiter besetzt. Getränke und einen Imbiss gibt es auf Wunsch am Platz, die Zeitung ist kostenlos.

Ewige Baustelle

Im krassen Gegensatz zum rollenden Material steht aber offenbar der Zustand der eingleisigen Strecke zwischen Halberstadt und Magdeburg. Seit Jahren wird immer wieder gebaut, Zugausfälle und Schienenersatzverkehr gibt es - wenn auch vor allem am Wochenende und in den Nachtstunden - regelmäßig. Seit Jahren kündigt die zuständige Bahntochter DB Netz den Streckenausbau an, jetzt soll er 2012 beginnen. Nach Beendigung sollen die Züge dann 120 statt bislang 100 Kilometer in der Stunde schnell sein. Die Sicherheitstechnik muss dem bis dahin folgen.

Denn bislang geht es an etlichen Streckenabschnitten noch zu, wie zur Blütezeit der Eisenbahn: In Stellwerken müssen noch Hebel umgelegt werden, um Weichen und Signale zu bedienen - so auch in Hordorf. Hier befindet sich im Bereich des Bahnhofs ein Streckenabschnitt, der zweigleisig angelegt ist. Davon gibt es entlang der Strecke mehrere, damit in Gegenrichtung fahrende Züge passieren können. Da, wo das nicht so ist, muss einer der beiden Züge warten, bis der andere vorbei ist. "Der Fahrdienstleiter muss die Weichen stellen und einrasten, bevor das Signal auf Grün gestellt werden kann", sagt Bahnsprecherin Änne Kliem. Es ist die einzige Sicherungstechnik, die es gibt. Übersieht der Lokführer das Signal, fährt er auf den eingleisigen Abschnitt hinter dem Bahnhof ein. Nichts kann ihn mehr stoppen. Genau dies scheint in der Nacht passiert zu sein.

Es ist auf der Strecke kein Einzelfall. Eisenbahner berichten, dass es in Hordorf bereits vor etwa eineinhalb Jahren einen Beinah-Unfall zwischen zwei entgegenkommenden Zügen gegeben habe. Es sei damals aber dem Fahrdienstleiter gelungen, mit Handsignalen den Zug zu stoppen. Kliem bestätigt den Zwischenfall, ohne auf nähere Details einzugehen. Glimpflich verlief auch die Begegnung zweier Personenzüge mit 130 Fahrgästen vor vier Jahren im nur wenige Kilometer entfernten Bahnhof Blumenberg. Damals hatte ein Lokführer ein Vorsignal übersehen, aber einen entgegenkommenden Zug noch rechtzeitig bemerkt. Dank Vollbremsungen kamen beide Züge ohne Schaden nehmen zum Stehen.

Neue Technik in diesem Jahr

Nach dem Vorfall installierte DB Netz in Blumenberg ein elektronisches Sicherungssystem. Diese punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) genannte Technik erkennt, wenn ein Zug an einem Signal zu schnell ist oder nicht stoppt und bremst ihn automatisch. Bahnsprecherin Kliem bestätigt, dass bislang erst 50 Prozent der Strecke zwischen Halberstadt und Magdeburg mit der PZB-Technik ausgerüstet seien. "Auf dem Abschnitt Hordorf gibt es dies noch nicht, sonst wäre der Zug abgebremst worden", so Kliem. Der Einbau von PZB sei dieses Jahr geplant.

Grund für die zögerliche Installation sei, dass die Bahn zunächst auf Hauptstrecken die Sicherungstechnik eingebaut, die Nebenstrecken folgten sukzessiv. Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) sagte am Sonntagabend in Hordorf, man werde jetzt darauf drängen, dass die Strecke saniert werde.