Wappen-Affäre um Bücker Wappen-Affäre um Bücker: Maulkörbe und Eier

Dessau-Rosslau/MZ - 5 vor 12 wäre ein kleines Zeichen gewesen. Doch das Referat „Verwaltungsverfahren, Datenschutz, Wiedergutmachung und Archivwesen“ in Sachsen-Anhalts Innenministerium wollte kein Neuland betreten und setzte statt auf eine letzte Warnung auf einen klassischen Showdown: Am Donnerstag, 12 Uhr, läuft ein Ultimatum ab, das viele in Sachsen-Anhalt belustigt. André Bücker, Generalintendant des Anhaltischen Theaters, soll per Mail erklären, künftig unter das Wappen des Landes der Frühaufsteher nicht mehr den Spruch „Wir sparen uns früher dumm“ zu setzen. Wie Bücker das tut, ist offen. „Aber ich bin ein höflicher Mensch. Ich werde schon antworten.“
Vor allem aber ist Bücker ein unbequemer Mensch. Im vorigen Herbst, als das Land dem Anhaltischen Theater ohne Ankündigung 205?000 Euro strich, campierten seine Schauspieler eine Woche vor dem Kultusministerium in Magdeburg und verlegten den Probenbetrieb in die Landeshauptstadt. Der Protest war vergeblich. Im Sommer dieses Jahres kam es noch ärger: Sieben Millionen Euro will das Land ab 2014 bei seinen Theatern und Orchestern sparen. Statt 8,1?Millionen Euro soll Dessau nur noch 5,2 Millionen Euro erhalten. Mit Folgen: Die 219. Spielzeit, die am Sonnabend vor tausenden Zuschauern eröffnet wurde, könnte die letzte als Vier-Sparten-Haus sein. Bücker gilt als scharfer und lauter Kritiker. Der nun diszipliniert und leise gestellt werden soll?
Anfang bei Twitter
„Hier werden wegen einer Satire einem missliebigen Intendanten Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagt Claudia Dalbert, die bündnisgrüne Fraktionschefin im Landtag. Eine „besondere Form der ostdeutschen Traditionspflege“ kritisiert Linke-Chef Wulf Gallert über den Kurznachrichtendienst Twitter, bei dem die Wappen-Affäre seinen Anfang genommen hat. Am 5. September hatte Bücker dort ein Foto mit dem umstrittenen Aufkleber gepostet: „Wir sparen uns früher dumm.“ Am Montag wies ihn erst der stellvertretende Regierungssprecher Rainer Metke per Mail auf die missbräuchliche Nutzung des Landeswappens hin.
Am Dienstag folgte die juristische Belehrung. „Für die von Ihnen gewollte politische Meinungsbekundung ist eine Nutzung des Landeswappens nicht zulässig“, hieß es in einer Mail an Bücker. Auch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung rechtfertige nicht, Bückers Äußerung „in einen unmittelbaren optischen Zusammenhang mit dem staatlichen Hoheitszeichen“ zu bringen. Das sei eine unbefugte Nutzung des Landeswappens und eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Das Problem ist: Der Aufkleber stammt gar nicht von Bücker, dieser ist nicht mal seine Idee. „Da lagen einige im Theater rum und haben mir gefallen. Als gelungene Satire.“
Der Spruch kursiert seit Monaten im Internet. Ende Mai hatten ihn das „Hochschulaktionsbündnis Sachsen-Anhalt“ bei Facebook gepostet. „Ich weiß gar nicht mehr, woher der kam“, sagt Sylvia Springer, Administratorin der Seite. Post aus dem Innenministerium gab es jedenfalls nicht. „Das wüsste ich.“ Dreieinhalb Monate später ist die Nachsicht in Magdeburg vorbei. Im Netz hat das Ultimatum für viel Gespött gesorgt. Hundertfach wurde der Aufkleber verbreitet - auch in abgewandelter Form. „Wir lieben Maulkörbe“ steht unter einem neuen Entwurf, der im Wappen neben dem Anhalter Bären sogar noch einen extra Maulkorb enthält.
Gegenteil von Unterdrücken
„Wenn man versucht, Dinge zu unterdrücken, passiert meist das ganze Gegenteil“, sagt Bücker. „Was das Innenministerium da macht, ist lächerlich - und wenn man noch einmal darüber nachdenkt, ist es sogar peinlich“, sagt die bündnisgrüne Fraktionschefin Dalbert und wunderte sich: „Hat die Landesregierung nicht genügend andere Aufgaben zu erledigen?“
Das Innenministerium wollte sich gestern zum konkreten Fall nicht äußern. „Wer das Wappen des Landes ohne Befugnis gebraucht, handelt rechtswidrig“, teilte Sprecherin Anke Reppin am Abend mit. Dass gezielt gegen Bücker vorgegangen werde, wurde dementiert. Wenn das Ministerium Hinweise zu einem unbefugten Gebrauch erhalte, müsse man handeln. „Es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz.“ Werde das Wappen trotzdem weiter genutzt, werde der Fall an die örtlich zuständige Verwaltungsbehörde übergeben.
Wie man schon gegen eine unzulässige Verwendung des Landeswappens vorgegangen ist, dazu machte Reppin keine Angaben. Die Sprecherin ließ auch die Frage unbeantwortet, ob das Komiker-Duo „Elsterglanz“ das Landeswappen rechtmäßig genutzt hat. Die Mansfelder, 2012 mit dem Film „Im Banne der Rouladenkönigin“ erfolgreich, hatten Anfang August auf ihrer Facebook-Seite ein eigenes Motto unter das Landeswappen gestellt: „Mache Eier“. 20?835 Fans fanden die Satire gut. Oder war das ernst gemeint?


