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Waldbrandwacht bei Jessen Waldbrandwacht bei Jessen: Rauchmelder im Wettbewerb

Von Uwe Naumann 06.08.2003, 20:00

Halle/MZ. - Die Elektro-Heizung ist abgedeckt. Der Kühlschrankwürfel fasst Wasserflaschen und Obst. Das rote Telefon steht griffbereit auf dem kleinen Tisch, daneben ein Radio, ein Ventilator, ein Zeichendreieck. An der Wand lehnt eine große Landkarte, aufgeklebt auf Pappe. Alles in einem Radius von einem Meter. Mehr Platz gibt es nicht auf dem Feuerwachturm Arnsdorf bei Jessen, nahe der Landesgrenze zu Brandenburg. Von hier aus beobachtet Forstarbeiterin Hella Kalich die Kiefernwälder. Und von hier aus konnte sie auch die Rauchschwaden des etwa 20 Kilometer entfernten Flächenbrandes sehen, der am Montag auf einem alten Militärgelände bei Jüterbog wütete.

Der Feuerwachturm Arnsdorf gehört zum Forstamt Annaburg im Landkreis Wittenberg. "Dieser östlichste Zipfel Sachsen-Anhalts zählt mit seinen weiten Kiefernwäldern zur höchsten Gefahrenklasse für Waldbrände in Deutschland", sagt Revierleiter Guido Arndt. Nicht umsonst stehen vier der landesweit 38 Feuerwachtürme in dem Forstamtsbereich, der 22000 Hektar Waldfläche umfasst.

In 25 Meter Höhe sitzt Hella Kalich auf einem Drehstuhl und nimmt ihr Fernglas in die Hand. Durch die acht Fenster ringsherum hat die 42-Jährige einen herrlichen Panoramablick: Wälder soweit das Auge reicht, dazwischen kleinere Ortschaften und viele Windräder. Mit dem Feldstecher schwenkt sie die Umgebung ab und entdeckt eine Wolke. Rauch oder Staub? Die Ursache ist noch unklar. Das betroffene Gebiet liegt hinter einer kleinen Anhöhe und die Forstarbeiterin kann nur die Wolke sehen. Sie wartet und beobachtet weiter. Die Wolke wandert. "Jetzt ist klar, dass es sich um Staub von Traktoren handeln muss."

Seit Wochenanfang herrscht im Landkreis höchste Waldbrandgefahr, Warnstufe 4. Das Betreten der Wälder abseits öffentlicher Wege ist verboten. Die Feuerwachtürme müssen jetzt von 10 bis 21 Uhr besetzt sein. "Uns fehlen hier zum Jahresdurchschnitt zwölf Liter Niederschlag je Quadratmeter", konstatiert Guido Arndt. "Der Sandboden kann das bisschen Feuchtigkeit nicht lange speichern, die Kiefern bieten ja kaum Schatten."

Ein schwacher Wind lässt die Spitze der Beton-Stahl-Konstruktion schwanken. Die Fenster bleiben nicht von allein offen, der Riemen der Fernglastasche dient als Halterung. "Die Temperaturen lagen hier oben schon bei 40 Grad", sagt Hella Kalich und stöhnt. "Die Hitze macht einem ganz schön zu schaffen." Als Abwechslung vom eintönigen Ausschauhalten bieten sich nur Radiohören und Zeitunglesen. "Aber bei Warnstufe 4 muss ich sehr aufpassen." Denn hinter scheinbaren Staubwolken könnten sich auch Flammen verbergen.

Die Feuerwachtürme stehen untereinander und mit der Einsatzleitstelle in Wittenberg in Kontakt. Im Brandfall verständigen sich die Türme zuerst gegenseitig, ermitteln die jeweilige Gradzahl der Richtung des Rauches und den sich ergebenden Schnittpunkt auf der Landkarte. Danach der Anruf in der Leitstelle. Auf dem benachbarten Turm in Brandenburg geht niemand mehr ans Telefon. Seit wenigen Wochen blickt hier eine ferngesteuerte Kamera ins Land. "Damit sieht man doch nicht so gut wie ein Mensch mit einem Fernglas", ist sich der 36-jährige Revierleiter sicher und vertraut weiterhin auf die Augen seiner Forstarbeiter.

Seit acht Jahren steigt Hella Kalich auf die Feuerwachtürme. Zum Arnsdorfer auf die Diensthöhe - 129 Meter über dem Meeresspiegel - gilt es 112 Holzstufen zu bezwingen. Eine Toilette gibt es hier oben nicht.

Aus dem Dienstbuch geht hervor, dass der Turm in diesem Jahr schon im März besetzt werden musste. Damals herrschte Warnstufe 1. Brände gab es seither einige, "aber nur wer zuerst einen Brand entdeckt, darf ihn in sein Buch eintragen", erklärt die Forstarbeiterin das Wettbewerbsprinzip. "Den letzten Brand habe ich am 30. Juni erkannt: 20 Quadratmeter Privatwald an einer Straße." Es wird wohl weitere Einträge in das Buch geben, denn Niederschläge sind nicht in Sicht. Vorerst wird Hella Kalich weiter in ihrem Turm schwitzen.