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Unfalltod bei Dessau Unfalltod bei Dessau: Regisseur stirbt auf Autobahn

Von Steffen Könau 28.06.2013, 04:50
Henry Köhler mit seiner Frau Ute (2. von rechts) in einem Studio.
Henry Köhler mit seiner Frau Ute (2. von rechts) in einem Studio. privat Lizenz

Dessau/MZ - Er hat Hitlers Helfern hinterherrecherchiert, für den MDR „Honeckers Geheimplan gegen Solidarnocs“ bebildert und für das ZDF einen Film über das „Wunder ohne Grenzen“ gedreht, wie Henry Köhler selbst die Wende 1989 nannte. Jetzt ist der auf zeitgeschichtliche Filme spezialisierte Regisseur aus Berlin auf der Autobahn A 9 gestorben - Köhler, sein Vater und Kameramann Manfred Köhler und ein weiterer Mann aus seinem Filmteam saßen in einem Audi, der bei dem Massencrash am Donnerstag vergangener Woche verunglückte. Insgesamt waren zwei Lkw, fünf Pkw und ein Transporter verwickelt, vier Menschen starben, sechs wurden verletzt, zwei von ihnen schwer.

Der Audi und der Opel brannten komplett aus

Eine Tragödie, die mit der Identifizierung der Opfer durch die Rechtsmedizin der Uni Halle ein Gesicht bekommt. Danach starben alle Opfer - neben den drei Filmleuten ein 56-jähriger Opelfahrer aus dem Landkreis Wittenberg - durch sogenannte Polytrauma, also eine Vielzahl von Verletzungen. Der Audi und der Opel brannten komplett aus. Die Identität der Toten sei aber durch DNA-Analysen zweifelfrei geklärt, hieß es bei der Polizei. Auch Henry Köhlers Frau Ute bestätigte den Unfalltod ihres Mannes inzwischen auf dessen Internetseite. „Für mich wird Henry in seinen Filmen weiterleben“, schreibt sie, „die Filme waren sein Leben.“

Seit 1974 hatte der gebürtige Leipziger Filme gedreht. Sein erster sei „ein epochales Werk über den Tierkindergarten im Leipziger Zoo“, gewesen, scherzte er über diesen frühen Versuch im Amateurfilmstudio der Jungen Pioniere. Die Liebe zum Film war Henry Köhler in die Wiege gelegt worden - auch Vater Manfred hatte zwanzig Jahre zuvor als Kameramann bei den Pionieren begonnen. Manfred Köhler drehte später zum Beispiel mit Andreas Piontkowitz „König der Eidechsen“ und mit Rolf Schnabel die Doku „Berlin im Frieden“. Nach der Wende gründeten Vater und Sohn die Filmfirma Trion, die damit warb, „über 120 Jahre Film- und Fernseherfahrung zu vereinen“. Trion produzierte vor allem historische Dokumentationen von Filmen über „Die Macht der Päpste“ für den Kultursender Arte bis zu einem Porträt des Feldmarschalls Paulus für den MDR und einen Mehrteiler über „Die Frauen der Nazis“ für Spiegel-TV.

Auf dem Rückweg aus dem Mansfelder Land

Doch für keinen dieser Großabnehmer waren Vater und Sohn Köhler diesmal unterwegs. Vielmehr befand sich das Drehteam nach Angaben von Marco Zeddel, wie Henry Köhler Mitglied eines Filmfanclubs, am Tag der Tragödie auf dem Rückweg aus dem Mansfelder Land, wo sie für den Verein zur Aufarbeitung der NS-Gewaltherrschaft eine Dokumentation über das KZ Wansleben hatten drehen wollen.

Die Reste dieses oft als „vergessenes KZ“ bezeichneten Lagers waren erst im vergangenen Jahr von einem Eisleber Bauunternehmer vor der Vernichtung bewahrt worden. Henry Köhler hatte sich bereiterklärt, mit filmischen Mitteln zu helfen, die Leiden der zumeist aus Buchenwald hierher verschleppten Opfer im Gedächtnis zu bewahren - ein Freundschaftsdienst, wie es Zeddel nennt. Bei dem Unfall auf der A 9 verbrannte jedoch auch das gesamte erstellte Filmmaterial.