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Umzug des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt  Umzug des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt : Neue Büros nicht sicher vor Spionage?

Von Hendrik Kranert-Rydzy 10.06.2015, 07:48
In diesem Gebäude ist der Verfassungsschutz noch untergebracht.
In diesem Gebäude ist der Verfassungsschutz noch untergebracht. Uli Lücke Lizenz

Magdeburg - Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz bereitet sich gerade auf eine Mammutaufgabe vor - den Umzug der gesamten Behörde Anfang Juli. Aufgrund der Belastung des bisherigen Domizils im Osten der Stadt mit der giftigen Chemikalie Naphthalin wechselt der Geheimdienst in ein Quartier im Norden der Stadt. Eine diffizile Angelegenheit, denn in der Natur der Sache liegt, dass vieles bei Geheimdiensten geheim erfolgt - bei Umzügen ist das nicht anders. Die Aktion wird daher seit Monaten generalstabsmäßig vorbereitet.

Privater Vermieter

Weniger gut vorbereitet soll man hingegen auf die neuen Büroräume sein. Diese, so äußern anonyme Kritiker, seien für geheimdienstliche Zwecke untauglich. Dies beginne damit, dass der Verfassungsschutz sich eines privaten Vermieters bedient und ein Bürohaus bezieht, das auch von anderen privaten Mietern genutzt wird. Derzeit etwa von einem Call-Center, das ein Stockwerk über den Verfassungsschützern residiert. Die Befürchtung: Statt eines Call-Centers könnte da künftig auch eine staatsnahe und damit spionageaffine Firma aus Russland oder China einziehen. Zudem hätten zahlreiche Büroräume Fenster zu zwei Innenhöfen, seien also von gegenüberliegenden Fenstern einsehbar. Im Verfassungsschutz wird nach MZ-Informationen seit längerem eine Debatte zum Thema geführt: Ist der Nachrichtendienst besser in einer eigenen Immobilie aufgehoben oder agiert er unauffälliger und anonymer innerhalb einer Vielzahl verschiedener Mieter?

Der schwerwiegendste Vorwurf aber ist: Der Verfassungsschutz nehme die Vorschriften zum Abstrahlschutz elektronischer Geräte nicht genügend ernst. Beim „Van-Eck-Phreaking“ kann mit Hilfe entsprechender Geräte die elektromagnetische Strahlung von Monitoren, Druckern, Tastaturen oder nicht ausreichend abgeschirmten Leitungen abgehört werden. Diese Spionagemethode gehört zum Standard von Geheimdiensten. Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) vermittelt daher auf Anfrage zugelassene Unternehmen, die die Abstrahlsicherheit spionagegefährdeter Behörden überprüfen. Doch einer solchen Überprüfung soll sich der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalts nicht unterzogen haben.

Treffen die Vorwürfe zu, wären nicht nur die vom Verfassungsschutz gesammelten, in der Regel der Geheimhaltung unterworfenen Erkenntnisse gefährdet. Mindestens genauso schwer dürfte der Vertrauensverlust wiegen, den die Behörde im Verbund der nachrichtendienstlichen Landes- und Bundesbehörden erleiden könnte. Für die Magdeburger Verfassungsschützer würde der Informationsaustausch zur Einbahnstraße, wenn andere Behörden den Eindruck gewännen, die in die Büros in Magdeburg gelieferten Informationen seien nicht sicher.

Genau vor diesem Problem steht derzeit der Thüringer Verfassungsschutz, der nach der Ankündigung, nahezu alle V-Leute aus rechtsextremen Kreisen abzuziehen, als Schmuddelkind betrachtet und kaum noch mit Informationen versorgt wird. „Wenn die Vorwürfe zutreffen, wäre das ein dickes Ding“, sagt SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben. Erben erklärt zudem, „dass bei solchen Sachen immer die große Gefahr besteht, dass andere Verfassungsschutzbehörden die große Keule rausholen und künftig die Herausgabe von Informationen verweigern“. Linken-Politikern Eva von Angern, wie Erben Mitglied der für den Verfassungsschutz zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), sagt, dass auch sie Fragen bezüglich der Informationssicherheit beim Verfassungsschutz habe. Details will sie nicht nennen, kündigt aber an, eine Sondersitzung der PKK beantragen zu wollen.

Nur ein Kompromiss

Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann machte gegenüber der MZ deutlich, dass das neue Domizil ein Kompromiss sei: „Es ging darum, möglichst schnell aus der naphthalinbelasteten Behörde auszuziehen. Aus den zur Verfügung stehenden Immobilien und unseren Sicherheitsanforderungen haben wir jetzt ein gutes Paket geschnürt.“ Hollmann selber wäre auch lieber in eine „reine Landesliegenschaft gezogen“, doch die waren - wie etwa die ehemalige Oberfinanzdirektion - „alle schon weg“. Zu Detailfragen in punkto Sicherheit will Hollmann nichts sagen, nur soviel: „Wir haben alles geprüft, das BSI hat uns vorher Tipps gegeben, und die kommen auch im Nachhinein noch einmal.“ (mz)